„Wir haben uns angeschaut, was im gesunden Herz passiert, wenn es unter standardisierten Bedingungen altert“, sagt Dr. Sascha Sauer vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin. Die Ergebnisse offenbaren, wo das alternde Herz besonders verletzlich ist und liefern damit auch eine mögliche Grundlage für neue therapeutische Ansatzpunkte.
Die Wissenschaftler setzten eine neue Methode ein, die Einzelzelltranskriptionsanalyse. Sie ermöglicht es, für jede Zelle gesondert zu analysieren, welche Gene in ihr abgelesen werden. Insgesamt rund 28.000 Herzzellen von jungen und alten Mäusen haben die Berliner Forscher zusammen mit der Arbeitsgruppe von Prof. Stefanie Dimmeler, Goethe Universität Frankfurt, auf diese Weise untersucht. Damit entstand ein umfassender Zellatlas der Genaktivität in alten Herzen von Säugetieren.
Gene arbeiten nicht mehr so synchron
Die größten Unterschiede zwischen Jung und Alt waren bei Bindegewebszellen, den sogenannten Fibroblasten, zu beobachten. In Fibroblasten aus Herzen von jungen Mäusen waren in jeder Zelle jeweils Gene ähnlich aktiv. Bei den älteren Mäusen sah das von Zelle zu Zelle nicht mehr so einheitlich aus. „Betrachtet man wenige Zellen ist das Muster noch halbwegs in Ordnung“, berichtet Sauer. „Doch all die kleinen Abweichungen führen insgesamt dazu, dass die alten Zellen sich mehr und mehr unterscheiden und somit nicht mehr so gut zusammenarbeiten. Dadurch gerät das hochkomplexe System Herz etwas durcheinander.“
In der äußersten Schicht des Herzens, dem Epikard, fanden Sauer, Dimmeler und Kollegen in alten Herzen zudem eine Gruppe von Bindegewebszellen, in denen Gene aktiv waren, die zur Verkalkung führen. „Es ist zwar bekannt, dass im Alter die Gefäße zunehmend verkalken, aber dass im gesunden Herzen ein bestimmter Subtyp von alternden Fibroblasten dazu beiträgt, ist neu“, so Sauer.
Schlechter Einfluss
In alten Herzen senden Fibroblasten außerdem bestimmte Eiweiße, die sogenannten Serpine, an Endothelzellen aus. Diese Zellen kleiden die Blutgefäße von innen aus. Die Serpine bewirken, dass sich die Endothelzellen schlechter zusammenfinden, was negative Folgen für die Blutgefäßauskleidung haben kann. Setzten die Forscher Antikörper gegen die Serpine ein, konnten sie die negativen Effekte auf die Endothelzellen wieder rückgängig machen. Die Wissenschaftler vermuten, dass das Zusammenspiel von Fibroblasten und Endothelzellen tatsächlich noch viel komplexer ist. Denn auch weitere für die Zellkommunikation zuständige Gene sind in alten Fibroblasten anders reguliert als in jungen.
Hohe Spezialisierung geht verloren
Bei den Herzmuskelzellen fanden die Forscher erst dann altersbedingte Unterschiede, als sie speziell nach Genen schauten, die für die Muskelkontraktion wichtig sind. Diese Gene verhielten sich in alten Herzmuskelzellen sehr variabel. Andere Gene, die zum Beispiel für Stoffwechselwege codieren und in allen Zellen identisch sind, waren in alten und jungen Herzmuskelzellen hingegen gleichermaßen aktiv. „Wenn man sich grob vorstellt, wie sich ein Organismus entwickelt, dann treten hoch spezialisierte Zellen eher später auf. Und was spät kommt, verliert man anscheinend wieder früh, beziehungsweise sind gerade die spät ausgeprägten Spezialisierungen sehr anfällig im Alter“, sagt Sauer.
Sauer und sein Team wollen nun herausfinden, wodurch die Genaktivität in den einzelnen Zellen im Alter so variabel wird. Dafür betrachten sie Marker auf der DNA, sogenannte Methylierungen, die darüber entscheiden, ob ein Gen abgelesen wird oder nicht.
Originalarbeit: Transcriptional heterogeneity of fibroblasts is a hallmark of the aging heart. Vidal R, Wagner JUG, Braeuning C, Fischer C, Patrick R, Tombor L, Muhly-Reinholz M, John D, Kliem M, Conrad T, Guimarães-Camboa N, Harvey R, Dimmeler S, Sauer S. JCI Insight. 2019 Nov 14;4(22). pii: 131092. DOI:10.1172/jci.insight.131092
Kontakt: Dr. Sascha Sauer, Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC), Sascha.Sauer@mdc-berlin.de
Christine Vollgraf, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), Tel.: 030 3465 529 02, presse@dzhk.de