Ist die innere Uhr aus dem Takt, erkrankt das Herz
Schichtarbeit, Reisen in andere Zeitzonen, zu fettes Essen, all das bringt unsere innere Uhr durcheinander. Gerät sie zu oft aus dem Takt, kann das Erkrankungen nach sich ziehen. Im Herzen werden dann Gene, die im Stoffwechsel eine wichtige Rolle spielen, falsch reguliert. „Wir verfolgen drei Ansätze“, sagt Pieterjan Dierickx. „Zum einen untersuchen wir, wie Störungen der inneren Uhr allmählich dazu führen, dass Herzerkrankungen entstehen. Dazu benutzen wir ein Mausmodell, in dem die innere Uhr aufgrund einer genetischen Veränderung nicht mehr funktioniert.“ Diese Mäuse werden krank und sterben letztlich an Herzmuskelerkrankungen. Der belgische Wissenschaftler und sein Team wollen herausfinden, welche frühen Prozesse ablaufen, wenn die Mäuse erkranken, und ob das ein Modell für Herzschwäche beim Menschen sein könnte.
Jetlag im Labor
In ihrem zweiten Projekt untersuchen Dierickx und seine Gruppe, welche Stoffwechselprodukte bei Tieren verändert sind, wenn ihre innere Uhr gestört ist. Zusätzlich zu ihrem genetischen Modell wollen sie alternative Strategien anwenden, um die Uhr durcheinanderzubringen. So können sie mit wechselnden Lichtintervallen einen Zustand auslösen, der einem Jetlag oder dem eines Schichtarbeiters ähnelt. „Es sind nicht die Fernreisen an sich, die das fein getaktete innere Gefüge stören, sondern entscheidend sind die Lichtimpulse zur falschen Zeit“, erklärt Dierickx. Auch das Licht von Handy und Labtop spät abends im Bett wirke sich negativ auf die innere Uhr aus.
„Wir wollen analysieren, warum nach der Störung der inneren Uhr bestimmte Stoffwechselprodukte deutlich niedriger sind als bei gesunden Mäusen", so Dierickx weiter. Im Hinblick auf eine Therapie geht es dem Forscherteam darum, wie man die Spiegel dieser Substanzen erhöhen kann. Viele Stoffwechselprodukte weisen tageszeitliche Schwankungen im Herzen auf. Dieser zeitliche Aspekt wird bei den derzeitigen Strategien zur Ergänzung des Stoffwechsels meistens nicht berücksichtigt. Um das natürliche Auf und Ab zu imitieren, werden den Labormäusen die Stoffwechselprodukte rhythmisch verabreicht, ein Prozess, der Chronotherapie genannt wird. Dierickx hofft, dass dadurch die krankmachenden Prozesse im Herzen gelindert und möglicherweise sogar verhindert werden können. Ein vielversprechendes Konzept, denn auch im Alter nehmen die rhythmischen Schwankungen generell ab.
Frauen sind besonders gefährdet
In seinem dritten Projekt erforscht Dierickx, warum Frauen empfänglicher sind als Männer eine Herzschwäche zu entwickeln, wenn ihre innere Uhr aus dem Takt geraten ist. Langfristig könnten damit spezifische Behandlungsstrategien entstehen, die die Unterschiede zwischen den Geschlechtern berücksichtigen.
Bevor der Belgier ans MPI nach Bad Nauheim wechselte, arbeitete er als Post Doc an der University of Pennsylvania in den USA. „Der Großraum Frankfurt ist in der Herz-Kreislauf-Forschung sehr gut aufgestellt“, so Dierickx. „Das Max-Planck-Institut und sein attraktives Netzwerk haben mich überzeugt, aus den USA zurück nach Europa zu kommen.“
Lungenhochdruck bei Linksherzerkrankung: Immunsystem unter Verdacht
Auch Jana Grune war zuletzt mehrere Jahre als Postdoc in den USA, bevor sie aus Boston nach Deutschland zurückkehrte. Die junge Wissenschaftlerin kennt sich mit Herz und Lunge gleichermaßen aus. Am Deutschen Herzzentrum der Charité (DHZC) in Berlin untersucht sie die Kommunikation zwischen den beiden Organen. Denn wenn die linke Herzhälfte erkrankt, kann sich leicht Lungenhochdruck entwickeln: mit dramatischen Folgen für die rechte Herzhälfte, die schlimmstenfalls versagt – der Patient oder die Patientin stirbt.
Für Patienten mit Lungenhochdruck infolge einer Linksherzerkrankung gibt es noch keine gut funktionierende Therapie. Gleichzeitig gibt es immer mehr Menschen mit Linksherzerkrankungen wie zum Beispiel manche Formen von Herzschwäche. Bisher ist unklar, warum es manche Patienten trifft und sie zusätzlich an Lungenhochdruck – oder pulmonaler Hypertonie, wie Mediziner sagen – erkranken und andere nicht. Jana Grunes Verdacht fällt auf bestimmte Entzündungsprozesse des Immunsystems.
Zu viel des Guten: Wenn die Immunabwehr krank macht
Es ist bekannt, dass bei vielen Herz-Kreislauf-Krankheiten vermehrt Immunzellen im Blutkreislauf zirkulieren. Monozyten gehören zu den weißen Blutzellen und werden auch als die „Polizisten des Blutes“ bezeichnet. Doch manchmal ist es auch ein Zuviel des Guten: Dann führt eine erhöhte Monozyten-Zahl zu einer überschießenden Immunantwort. „Unsere Hypothese ist, dass Patienten, die einen Lungenphänotyp entwickeln, auch mehr Monozyten haben, die ins Gewebe einwandern und dort ihr Schindluder treiben“, erklärt Jana Grune.
In Blutproben von Patienten mit einer Linksherzerkrankung überprüfen sie und ihr Team, ob es stimmt, dass diejenigen, die später an Lungenhochdruck erkranken auch mehr Monozyten haben. An der Monozytenzahl könnte man dann eventuell frühzeitig das Risiko für pulmonale Hypertonie ablesen. Im Tiermodell mit herzkranken Mäusen überprüft die Gruppe parallel therapeutische Ansätze, um herauszfinden, zu welchem Zeitpunkt welche Art der Lungenhochdruck-Therapie optimal anschlägt.
„Das DHZC hat als Krankenhaus die Patienten, aber gleichzeitig gibt es auch die Infrastruktur, um die molekulare und die tierexperimentelle Forschung zu machen“ sagt Jana Grune. Sie setzt auf einen mehrgleisigen Ansatz und ein Team aus Klinikern und Forschern, um die Herz-Lungen-Achse zu untersuchen.
Wissenschaftliche Ansprechpartner: Dr. Pieterjan Dierickx, Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung Bad Nauheim, Pieterjan.dierickx(at)mpi-bn.mpg.de, Dr. Jana Grune, Deutsches Herzzentrum der Charité (DHZC), jana.grune(at)charite.de
Kontakt: Christine Vollgraf, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), Tel.: 030 3465 529 02, presse(at)dzhk.de