DZHK-Forschungsdossier zu den Herzwochen 2018 zum Thema "Herz außer Takt"
(1.-30. November 2018)
Vorhofflimmern ist die in Deutschland am häufigsten auftretende Herzrhythmusstörung, von der rund 1,8 Millionen Menschen betroffen sind. Sie kann schwerwiegende Folgen haben, zum Beispiel einen Schlaganfall, Herzschwäche oder kognitive Leistungsverluste. Unter dem Motto „Herz außer Takt“ ist Vorhofflimmern das zentrale Thema der diesjährigen Herzwochen der Deutschen Herzstiftung. Aus diesem Anlass stellt das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) seine Arbeiten in diesem Bereich vor.
Im DZHK arbeiten die Wissenschaftler intensiv daran, die Ursachen des Vorhofflimmerns aufzudecken, neue Behandlungsmöglichkeiten für Vorhofflimmern zu entwickeln und Methoden aufzubauen, mit denen diese Erkrankung besser und früher erkannt werden kann. Denn Ursachen und Verläufe des Vorhofflimmerns sind noch nicht gut verstanden. Im Mittelpunkt aller Arbeiten steht dabei das Ziel, neue Erkenntnisse aus der Forschung schnellstmöglich den Patienten zugutekommen zu lassen.
Vorhofflimmern rechtzeitig erkennen
Wenn die Vorhöfe flimmern, besteht die Gefahr, dass sich Blutgerinnsel bilden. Über die Blutgefäße können die Gerinnsel in das Gehirn gelangen und einen Schlaganfall auslösen. Immerhin ein Viertel aller Schlaganfälle wird durch Vorhofflimmern verursacht. Patienten mit dieser Herzrhythmusstörung erhalten deshalb Blutgerinnungshemmer, die das Risiko für einen Schlaganfall um 70 Prozent reduzieren.
Problematisch ist, dass Vorhofflimmern häufig erst zu spät erkannt wird, um Schlaganfällen medikamentös vorzubeugen. Denn wenn das Herz nur anfallartig aus dem Takt gerät, verursacht das keine Beschwerden. Die SCREEN-AF-DZHK15-Studie will deshalb die Früherkennung von Vorhofflimmern verbessern und untersucht, ob eine kontinuierliche EKG-Aufzeichnung mithilfe eines „Rhythmuspflasters“ bei Patienten mit Bluthochdruck hierfür geeignet ist. Das Pflaster hat einen Mini-Monitor als Aufzeichnungseinheit, mit dem der Herzrhythmus für bis zu zwei Wochen aufgezeichnet werden kann.
Bei Patienten, die bereits einen Schlaganfall erlitten haben, konnten DZHK-Forscher in der FIND-AF-Studie bereits zeigen, dass mithilfe von einer Langzeit-EKG-Aufzeichnung über zehn Tage Vorhofflimmern besser erkannt werden und einem erneuten Schlaganfall so besser vorgebeugt werden kann.
Auch Frühformen des Vorhofflimmerns, sogenannte atriale Hochfrequenzepisoden, können das Risiko für einen Schlaganafall erhöhen. Die Einnahme von gerinnungshemmenden Medikamenten senkt auch hier das Schlaganfallrisiko. Aber als Nebenwirkung erhöht sich die Gefahr von Blutungen. Bislang ist noch nicht geklärt, ob die Einnahme von Blutgerinnungshemmern für die Patientengruppe Vorteile oder Nachteile mit sich bringt. Im Kompetenznetz Vorhofflimmern untersuchen Wissenschaftler in der vom DZHK geförderten NOAH-AFNET 6 Studie diese Fragestellung.
Herzrhythmusstörungen könnten sich bei Männern und Frauen unterschiedlich entwickeln. Darauf weisen Ergebnisse aus Langzeitstudien hin. Studien, an denen DZHK-Forscher beteiligt sind, überprüfen deshalb, ob bei der Prävention von Vorhofflimmern unterschiedliche Ansätze für Männer und Frauen sinnvoll sind.
Bestmögliche Behandlung
Aufgrund des Blutungsrisikos können nicht alle Patienten mit Vorhofflimmern gerinnungshemmende Medikamente einnehmen. Eine Alternative ist der Verschluss des linken Herzohres mit einer Art Mini-Schirm. Denn über 90 Prozent der Blutgerinnsel bilden sich im linken Herzohr. In der deutschlandweiten CLOSURE-AF-DZHK16-Studie untersuchen die Wissenschaftler, wie gut der Verschluss des linken Herzohres für Patienten mit Vorhofflimmern geeignet ist, die ein hohes Blutungsrisiko und ein hohes Schlaganfallrisiko haben. Über 60 Zentren beteiligen sich an der deutschlandweiten Studie.
Auch grundlegende Forschungsarbeiten zu alternativen Behandlungsmöglichkeiten bei Vorhofflimmern zeigen erste Erfolge. So haben Heidelberger Forscher entdeckt, dass ein spezieller Kaliumkanal im Herzen von Patienten mit Vorhofflimmern ein vielversprechender Ansatz für die Entwicklung neuer wirksamerer Rhythmusmedikamente ist.
Das Blutungsrisiko senken
Andere DZHK-Forscher beschäftigen sich damit, die mit der Gabe von Blutgerinnungshemmern bei Vorhofflimmern verbundenen Risiken zu minimieren und besser zu verstehen. Wenn Patienten mit Vorhofflimmern einen Herzinfarkt erleiden und das verengte Gefäß anschließend mit einer Gefäßstütze (Stent) geweitet wird, benötigen sie eine weitere Klasse von gerinnungshemmenden Medikamenten, die Plättchenhemmer. Laut den aktuellen medizinischen Empfehlungen erhalten sie dann drei Medikamente: einen Plättchenhemmer, Aspirin und einen Blutgerinnungshemmer. Jedes dieser Medikamente erhöht das Blutungsrisiko.
In der APPROACH-ACS-AF-DZHK7-Studie überprüfen die Wissenschaftler, ob eine Zweifachtherapie bestehend aus einem Plättchenhemmer und einem Blutgerinnungshemmer das Blutungsrisiko im Vergleich zur herkömmlichen Dreifach-Therapie senkt, ohne dass innerhalb von sechs Monaten erneut ein Herzinfarkt auftritt. Vorstudien haben bereits gezeigt, dass ohne Aspirin das Blutungsrisiko sinkt und sich die Gefahr für neue Gefäßverschlüsse nicht erhöht.
Risiko für Schlaganfälle verringern
Eine Methode Vorhofflimmern zu stoppen, ist die Katheterablation, bei der Herzzellen in einem bestimmten Bereich des Vorhofs verödet werden. Das Verfahren birgt jedoch ein gewisses Risiko für Schlaganfälle, Blutungen und klinisch stumme akute Hirnläsionen. In Kooperation mit dem Kompetenznetz Vorhofflimmern haben Forscher des DZHK deshalb überprüft, wie sich eine fortgesetzte Behandlung mit Blutgerinnungshemmern während der Ablation auf das Schlaganfallrisiko auswirkt. In der AXAFA-AFNET-Studie wurden dafür zwei unterschiedliche Wirkstoffklassen von Blutgerinnungshemmern verglichen: die Vitamin K Antagonisten und die neuen oralen Antikoagulantien (NOAK). Die Ergebnisse der Studie belegen, dass die Weiterführung einer NOAK Therapie genauso wie die Behandlung mit Vitamin K Antagonisten während der Ablation sicher ist, und dass das auch für ältere Patienten mit Schlaganfallrisiko gilt.
Den Ursachen auf den Grund gehen
Seit man Herzzellen auch im Labor züchten kann, können Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern noch genauer untersucht werden. DZHK-Forscher haben eine Technik entwickelt, mit deren Hilfe man diese Zellen einfacher und schneller voneinander unterscheiden kann. Denn Herzzelle ist nicht gleich Herzzelle, je nachdem wo sie eigentlich sitzen, etwa in den Vorhöfen oder den Herzkammern, unterscheiden sie sich in ihrer Struktur und ihren elektrischen Eigenschaften.
Auch mithilfe theoretischer Arbeiten nähern sich die DZHK-Wissenschaftler dem Vorhofflimmern. Ein mathematisches Modell legt einen neuen Mechanismus offen, bei dem gerade Bereiche besonders guten Herzgewebes Herzrhythmusstörungen auslösen können.
Alkohol und Lärm sind schlecht für den Herzrhythmus
Andere, bereits vorliegende Herzerkrankungen, wie koronare Herzerkrankung, Herzinfarkt, Entzündung des Herzmuskels, Herzklappenfehler, Herzmuskelschwäche oder angeborene Herzfehler, sind der häufigste Grund für Vorhofflimmern.
Aber Stress oder seelische Belastungen, einige Medikamente, zu viel Alkohol oder Kaffee und können den Herzschlag auch durcheinanderbringen. In einer Studie mit Besuchern des Oktoberfests konnten DZHK-Forscher zeigen, dass insbesondere unmittelbar nach starkem Alkoholkonsum das Risiko für Herzrhythmusstörungen steigt. Untersuchungen im DZHK zeigen außerdem, dass Vorhofflimmern mit steigender Lärmbelastung häufiger auftritt. Dabei wirkt sich die Lärmbelästigung nachts stärker auf den Herzrhythmus aus als tagsüber.
Folgende Experten des DZHK halten Vorträge im Rahmen der Herzwochen:
Prof. Ulf Landmesser, Berlin, 20.11.2018
Prof. Dr. Burkert Pieske, Berlin, 7.11.2018
Prof. Dr. Stephan Willems, Hamburg, 14.11.2018
Prof. Dr. Renate Bonin-Schnabel, Hamburg, 14.11.2018
Prof. Dr. Christian Meyer, Hamburg, 14.11.2018
Dr. Christian-Hendrik Heeger, Lübeck, 21.11.2018
Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Göttingen, 3.11.2018
Prof. Dr. Markus Zabel, Göttingen, 3.11.2018
Prof. Dr. Andreas M. Zeiher, Frankfurt, 27.10.2018
Prof. Dr. Hugo A. Katus, Heidelberg, 31.10.2018
Prof. Dr. Christian A. Gleißner, Heidelberg, 31.10.2018
Prof. Dr. Dierk Thomas, Heidelberg, 31.10.2018
Prof. Dr. Steffen Massberg, München, 9.11.2018
Prof. Dr. Axel Bauer, München, 9.11.2018
Prof. Dr. Stefan Kääb, München, 23.11.2018
PD Dr. Moritz Sinner, München, 23.11.2018
Weitere Informationen über Herzrhythmusstörungen finden Sie hier:
Herzrhythmusstörungen (DZHK-Webseite)
Kompetenznetz Vorhofflimmern
Deutsche Herzstiftung
Videos zum Thema Vorhofflimmern
PDF-Dowlnload der Herzstiftung
Aktuelle DZHK-Studien zu Vorhofflimmern:
Vergleich von zwei Therapien bei Patienten mit Vorhofflimmern und Herzinfarkt
APPROACH-ACS-AF-DZHK7
Mini-Schirm oder Medikamente: bestmögliche Schlaganfall-Prävention bei Vorhofflimmern
CLOSURE-AF-DZHK16
Vorhofflimmern rechtzeitig erkennen und Schlaganfallrisiko senken
SCREEN-AF-DZHK15