Jahrzehntelang war die Welt Erfolgsmeldungen bei der Bekämpfung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen gewöhnt. Dies betraf auch die Lungenembolie, weltweite eine der bedeutendsten Ursachen kardiovaskulärer Mortalität. Nun hat eine internationale Studie unerwartete Ergebnisse zu Thrombosen und Lungenembolien als Todesursache hervorgebracht.
Zum einen fand das Forscherteam heraus, dass in Kanada und in den USA im Zeitraum 2000 bis 2017 immer weniger Menschen an einer Lungenembolie sterben. Zugleich zeigte die Auswertung von Daten der WHO bei detaillierterer Betrachtung der Thrombose-Daten, dass in den USA seit einigen Jahren wieder mehr Menschen jüngeren und mittleren Alters an Thrombosen und ihren Komplikationen sterben. Unter den wohlhabenden Industrienationen des 21. Jahrhunderts ist dieser negative Trend ein Novum. Er ist umso beunruhigender, als dass er mit einer Abnahme der Lebenserwartung in diesem Land einhergeht.
„Zum jüngsten ungünstigen Trend in den USA können mehrere Faktoren beitragen“, erklärt Dr. Barco, der die Studie als Hauptverantwortlicher geleitet hat. „Soziale Ungleichheiten verbunden mit finanzieller Not können dazu führen, dass ein immer größer werdender Teil der Bevölkerung keinen Zugang zur medizinischen Versorgung hat. Parallel dazu sind schwerwiegende chronische Krankheiten wie Diabetes, Übergewicht und Lungenerkrankungen, die ihrerseits das Risiko für Thrombosen erhöhen, zunehmend verbreitet“.
Professor Konstantinides, Leiter der Professur Multizentrische Klinische Studien und Ärztlicher Direktor des CTH, ergänzt: „Es zeigt sich erneut, dass eine optimale medizinische Versorgung weit mehr voraussetzt als hochmoderne Untersuchungs- und Behandlungsmethoden. Diese nutzen auf Bevölkerungsebene wenig, wenn sie nicht bezahlbar sind oder wegen fehlender Prävention und eines ungesunden Lebensstils zu spät kommen.“
Bereits vor wenigen Monaten konnte eine weitere Studie des Autorenteams um Dr. Barco zeigen, dass sich die Sterblichkeit an Lungenembolie in den europäischen Ländern einschließlich Deutschlands im Zeitraum 2000 bis 2015 fast halbiert hat. Dies deuteten die Experten bislang als Hinweis auf die immer bessere Diagnostik und Therapie dieser Erkrankung.
„Epidemiologische Studien verwenden keine experimentellen Verfahren und können daher keinen direkten Beweis für die Ursachen ihrer Ergebnisse liefern“, erläutert Dr. Barco. „Allerdings sind ihre Beobachtungen angesichts der großen Patientenzahlen und der hochkomplexen Statistik zuverlässig und belastbar. Sie können daher dazu beitragen, Gefahren für die Bevölkerung zu erkennen und somit gesundheitspolitische Strategien zu verbessern.“
Originalpublikation: Age-sex specific pulmonary embolism-related mortality in the USA and Canada, 2000–18: an analysis of the WHO Mortality Database and of the CDC Multiple Cause of Death database; Stefano Barco MD, Luca Valerio MD, Prof. Walter Ageno MD, Prof. Alexander T. Cohen MD, Prof. Samuel Z. Goldhaber MD, Prof. Beverley J. Hunt MD, Prof. Alfonso Iorio MD, David Jimenez MD, Frederikus A. Klok MD, Prof. Nils Kucher MD, Seyed Hamidreza Mahmoudpour PhD, Prof. Saskia Middeldorp MD, Prof. Thomas Münzel MD, Vicky Tagalakis MD, Aaron M. Wendelboe PhD, Prof. Stavros V. Konstantinides MD;
DOI: https://doi.org/10.1016/S2213-2600(20)30417-3
Wissenschaftlicher Ansprechpartner: Univ.-Prof. Dr. Stavros Konstantinides, Centrum für Thrombose und Hämostase (CTH) der Universitätsmedizin Mainz, stavros.konstantinides(at)unimedizin-mainz.de
Quelle: Pressemitteilung Universitätsmedizin Mainz