Chemokine sind kleine Signalproteine, die Zellen an bestimmte Orte innerhalb des Körpers locken. Insbesondere lotsen sie Immunzellen in infizierte oder verletzte Gewebe. Die Zellen folgen dabei gleichsam einem Anstieg der Chemokin-Konzentration hin zum Ort mit der größten Chemokin-Dichte. Chemokine sind daher an Entzündungsreaktionen beteiligt, mit denen die Körperabwehr Schädigungen bekämpft. Sie spielen unter anderem auch eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Atherosklerose, die auf chronischen Gefäßentzündungen beruht. Forscher um die LMU-Mediziner Professor Christian Weber und Dr. Philipp von Hundelshausen haben nun erstmals systematisch untersucht, ob und wie Interaktionen zwischen unterschiedlichen Chemokinen deren Funktionen beeinflussen, und ihre Ergebnisse im Fachmagazin Science Translational Medicine veröffentlicht.
Viele Chemokine schließen sich zu Dimeren zusammen, das heißt sie bilden Zweierverbünde. Die Interaktion zwischen diesen Partnern kann deren Funktion potenziell verstärken oder hemmen. Deshalb könnten sogenannte Heterodimere, bei denen sich zwei verschiedene Chemokine zusammengeschlossen haben, auch ein interessantes Ziel für neue Therapien gegen akute und chronische Entzündungen sein. „Bisher war allerdings nur ein einziges Heterodimer ausreichend charakterisiert, das sich für eine therapeutische Intervention mit Peptiden eignet. Diese Chemokine verstärken gemeinsam die Einwanderung Atherosklerose-fördernder Monozyten in entzündete Gefäßwände“, sagt Weber.
Die Wissenschaftler haben nun erstmals systematisch alle möglichen Interaktionen zwischen den etwa 50 bekannten Chemokinen kartiert und untersucht, ob weitere Heterodimere funktionell relevant und möglicherweise therapeutisch beeinflussbar sind. Mithilfe aufwändiger Struktur-Funktions-Analysen und transgener Mausmodelle konnten die Forscher nachweisen, dass insbesondere solche Chemokine interagieren, die im Rahmen einer Entzündungsreaktion gebildet werden. Dabei machten die Forscher zwei Arten des Zusammenschlusses aus, die sich strukturell unterscheiden. Die entsprechenden Dimere werden als CC- bzw. CXC-Dimere bezeichnet. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass diese beiden Subtypen unterschiedliche Wirkungen haben: Dimere vom CC-Typ verstärken die Chemokin-Wirkung. Im Mausmodell fördern sie die Entstehung von akuten Lungenentzündungen und Atherosklerose. Dimere vom CXC-Typ dagegen hemmen die chemokine Wirkung. Die Bildung spezifischer Chemokin-Heterodimere ermöglicht dem Organismus somit eine fein austarierte Steuerung der Chemokinaktivität“, sagt von Hundelshausen.
„Wir konnten im Rahmen der Studie die Atherosklerose- und Lungenentzündungen-fördernde Wirkung von CC-Heterodimeren, aber auch die Blutplättchenaggregation und damit die Thromboseneigung, die durch CXC-Dimere gefördert wird, mithilfe synthetischer Peptide spezifisch hemmen“, sagt Weber. Solche Peptide könnten demnach die Basis für die Entwicklung neuer Therapeutika bilden.
Quelle: LMU