Prof. Gerhardt erforscht die Bildung von Blutgefäßen (Angiogenese) in der Entwicklung von Organismen sowie bei Krankheiten und sucht nach Wegen, krankhaftes Gefäßwachstum zu stoppen. Auslöser der Blutgefäßbildung ist unter anderem ein Wachstumsfaktor, der vaskuläre Endothelwachstumsfaktor VEGF (Englisch: vascular endothelial growth factor). Seit vielen Jahren ist bekannt, dass zum Beispiel ein Tumor seine Sauerstoffzufuhr und seine Ernährung dadurch sichert, dass er VEGF in das umgebende Gewebe der ausschüttet. Der Faktor dockt an Bindestellen (Rezeptoren) von Blutgefäßen an und lässt neue Blutgefäße zu ihm hinsprießen. „Ohne Blutversorgung würde der Tumor nicht größer als ein Salzkorn“, erläutert Prof. Gerhardt die Bedeutung dieses Vorgangs.
Aussprossen von Blutgefäßen entdeckt
Vor über zehn Jahren entdeckte Prof. Gerhardt, wie es die Blutgefäße anstellen, zu den Zellen hinzuwachsen, die den Wachstumsfaktor ausschütten. Nachdem der Faktor an den Rezeptor auf der Oberfläche angelegt hat, sprosst aus diesem Blutgefäß eine Zelle aus, die sich an die Spitze des neu zu bildenden Blutgefäßes setzt. Diese Leitzelle (Englisch: tip cell) zieht weitere Zellen aus dem ursprünglichen Blutgefäß mit sich nach (engl. stalk cells). „In unserer Forschung haben wir festgestellt, dass die einzelnen Zellen, die neue Gefäßsprossen ausbilden, ständig in Bewegung sind und die Plätze tauschen. Es besteht sogar ein direkter Wettbewerb zwischen den Zellen. Jede Zelle versucht offenbar, die Führungsposition zu übernehmen, ähnlich wie das Radrennfahrer tun, wenn sie im sogenannten Belgischen Kreisel fahren“, erläutert Prof. Gerhardt diesen Vorgang. Auf diese Weise bauen die Zellen gemeinsam Stück für Stück das neue Blutgefäß auf, das sich dann auch mit anderen Blutgefäßen zu einem ganzen „Leitungsnetz“ verbindet.
Für die Entdeckung dieser grundlegenden Prinzipien der Blutgefäßsprossung erhielt Holger Gerhardt 2011 den „Judah Folkman Award“ der North American Vascular Biology Organization (NAVBO). Die Auszeichnung ist benannt nach dem Harvard-Professor Judah Folkman, der als erster entdeckt hatte, dass Tumoren ihre Versorgung selbst sicherstellen, indem sie Blutgefäße zu sich hinwachsen lassen.
Zusammenarbeit mit Klinikern
In Berlin will Prof. Gerhardt seine Forschungen fortführen und insbesondere mit klinischen Forschungsgruppen zusammenarbeiten. Ziel ist, die Blutgefäßbildung bei Krankheiten, besonders bei Tumoren, noch besser zu verstehen, um darauf aufbauend neue Therapiekonzepte entwickeln zu können.
Holger Gerhardt wurde am 14. Mai 1969 in Mannheim geboren und studierte an der Technischen Hochschule Darmstadt sowie an der Universität Tübingen Biologie. In Tübingen promovierte er im Jahr 2000 über die Blut-Hirn-Schranke. Danach ging er für vier Jahre als Postdoktorand zu Prof. Christer Betsholtz an das Institute of Medical Biochemistry der Universität Göteborg, Schweden. 2004 erhielt er eine Nachwuchsgruppe am London Research Institute und wurde dort 2009 Forschungsgruppenleiter. In dieser Zeit wurde er auch Leiter einer Forschungsgruppe am Vesalius Research Center an der Katholischen Universität Leuven.
Für seine Forschungsarbeiten erhielt Holger Gerhardt neben dem Judah Folkman Award noch weitere Auszeichnungen, darunter 2001 den Dissertationspreis der Reinhold-und Maria Teufel-Stiftung, Tuttlingen (2001), den EMBO Young Investigator Award (2007), den Lister Research Prize, England (2008), die Walther Flemming Medaille der Deutschen Gesellschaft für Zellbiologie (2009) und die Hooke Medal der Britischen Gesellschaft für Zellbiologie (2012).
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