Computertomographie oder Herzkatheter? Eine neue Studie legt nahe, dass die koronare Herzkrankheit (KHK) mittels CT ähnlich sicher erkannt werden kann und das bei geringerem Komplikationsrisiko. Forschende in 31 europäischen Einrichtungen unter Leitung der Charité – Universitätsmedizin Berlin haben die Ergebnisse im New England Journal of Medicine veröffentlicht.
Bei Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf KHK und mittlerer Wahrscheinlichkeit für die Erkrankung könnte die nicht-invasive Computertomographie zum Einsatz kommen, um eine Diagnose zu stellen. Damit stünde für sie eine besonders risikoarme Methode als Alternative zur minimal-invasiven Katheteruntersuchung zur Verfügung. Sie ist zur Zeit der Standard für die Diagnose einer KHK und zeigt, ob das Herz ausreichend über die Kranzgefäße versorgt wird oder ob Engstellen den Blutfluss behindern. Ist das der Fall, können diese während der Untersuchung sofort beseitigt werden – beispielsweise mithilfe kleiner, aufblasbarer Ballone und hauchdünner Gefäßstützen, sogenannter Stents.
In Europa werden derzeit jährlich mehr als 3,5 Millionen solcher Untersuchungen in Herzkatheterlaboren durchgeführt, mit steigender Tendenz. Rund zwei Millionen dieser minimal-invasiven Eingriffe bleiben ohne Behandlung im Labor. Verengungen oder Verschlüsse der Herzkranzgefäße konnten in diesen Fällen ausgeschlossen werden. Die Diagnose mittels CT könnte also helfen, unnötige Herzkatheter zu vermeiden.
In der DISCHARGE-Studie werteten die Wissenschaftler über vier Jahre hinweg beide Diagnosemethoden aus: 3.500 Patienten mit stabilen Brustschmerzen und einem mittleren Krankheitsrisiko nahmen daran teil. Im Zufallsverfahren erhielten sie entweder eine Computertomographie oder einen Herzkatheter. Insgesamt 31 Partnereinrichtungen in 18 europäischen Ländern waren beteiligt. Die Leitung hatte ein Team um DZHK-Wissenschaftler Prof. Dr. Marc Dewey von der Klinik für Radiologie der Charité - Universitätsmedizin Berlin. „Es hat sich gezeigt, dass die CT-Untersuchung ein sicheres Verfahren für Patientinnen und Patienten mit stabilen, also nicht akuten Brustschmerzen und dem Verdacht auf eine KHK ist“, so Gesamtprojektleiter Prof. Dewey zu den klinischen Langzeitergebnissen der Studie.
Zur Bewertung herangezogen wurde in erster Linie das Auftreten schwerer kardiovaskulärer Ereignisse über einen Zeitraum von bis zu vier Jahren. „Bei Patientinnen und Patienten, die im Zuge der Studie zu einem Herzkatheter überwiesen wurden, war das Risiko für schwere kardiovaskuläre Ereignisse in der CT-Gruppe und der Herzkatheter-Gruppe mit 2,1 und 3 Prozent ähnlich. Die Häufigkeit schwerer verfahrensbedingter Komplikationen war bei einer anfänglichen CT-Strategie geringer“, so der Radiologe. Der ebenfalls an der Studie beteiligte DZHK-Wissenschaftler Prof. Dr. Henryk Dreger, von der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Kardiologie und Angiologie der Charité, zieht ein positives Fazit: „Für ausgewählte Patientinnen und Patienten kann die CT eine sichere Alternative zum Herzkatheter sein.
Der neue Ansatz könnte dazu beitragen, die hohe Zahl der Herzkatheteruntersuchungen zu reduzieren und das Gesundheitssysteme zu entlaste: „Die durch uns in der DISCHARGE-Studie standardisierte und qualitätsgesichert durchgeführte Methode könnte in der Routineversorgung für Menschen mit mittlerem Krankheitsrisiko verstärkt angeboten werden“, resümiert Prof. Dewey.
Ein Nutzenbewertungsverfahren wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) bereits auf den Weg gebracht. Zudem muss die für die Studie entwickelte Methode in einem nächsten Schritt daraufhin geprüft werden, ob sie zur Verbesserung der Routineversorgung von Patientinnen und Patienten beitragen kann.
Wissenschaftliche Ansprechpartner: Prof. Dr. Marc Dewey, Stellvertretender Direktor der Klinik für Radiologie (mit dem Bereich Kinderradiologie) Campus Charité Mitte, Charité – Universitätsmedizin Berlin, marc.dewey(at)charite.de
Originalpublikation:The DISCHARGE Trial Group. CT or Invasive Coronary Angiography in Stable Chest Pain. N Engl J Med. March 4, 2022. DOI: 10.1056/NEJMoa2200963
Quelle: Pressemitteilung der Charité – Universitätsmedizin Berlin