Atherosklerose gehört in den westlichen Industrienationen nach wie vor zu den häufigsten Todesursachen: Chronische Entzündungen in den Blutgefäßen führen zu Ablagerungen, die die Gefäße verengen und letztlich Herzinfarkte und Schlaganfälle auslösen können. Verursacht wird Atherosklerose durch eine außer Kontrolle geratene Reaktion des Immunsystems und Störungen im Fettstoffwechsel, die durch hohe Cholesterinwerte (Hyperlipidämie) im Blut gekennzeichnet sind. Wissenschaftler um den LMU-Mediziner Oliver Söhnlein haben nun in Versuchen an Mäusen entdeckt, dass ein Immunzellen-Protein Atherosklerose vermindert, indem es in den Cholesterinhaushalt eingreift. Dieser Fund, über den die Wissenschaftler im Magazin EBioMedicine berichten, könnte neue therapeutische Optionen eröffnen.
An der Entstehung und dem Fortschreiten von Atherosklerose sind verschiedene Zellen des Immunsystems beteiligt: Wie Söhnleins Team in früheren Untersuchungen zeigen konnte, spielen dabei auch die zu den weißen Blutkörperchen gehörenden neutrophilen Granulozyten eine wichtige Rolle. Das häufigste Protein in menschlichen neutrophilen Granulozyten ist HNP1 (human neutrophile peptide 1), das antimikrobiell und entzündungsfördernd wirkt. In Mäusen kommt dieses Protein normalerweise nicht in neutrophilen Granulozyten vor. „Dies gab uns die einmalige Chance, die Funktionsweise des Proteins zu untersuchen, indem wir ein Mausmodell entwickelt haben, das sowohl zu Atherosklerose neigt als auch hohe HNP1-Level produziert“, sagt Söhnlein. Zur großen Überraschung der Wissenschaftler entwickelten Mäuse mit HNP1 viel kleinere atherosklerotische Läsionen als solche ohne. „Wir hatten eigentlich das Gegenteil erwartet – insbesondere weil wir vorher herausgefunden hatten, dass HNP1 die Rekrutierung von Atherosklerose-fördernden Monozyten stimuliert“, sagt Söhnlein.
Bei der Suche nach den Ursachen fanden die Forscher, dass der Cholesteringehalt im Blut der HNP1-Mäuse erniedrigt war. Da Cholesterin nicht wasserlöslich ist, kann es im menschlichen Körper nur an sogenannte Lipoproteine gebunden transportiert werden. Man unterscheidet dabei „nützliche“ Lipoproteine wie das HDL, welches Cholesterin vom Gewebe zur Leber transportiert und so Atherosklerose vermindern kann, von dem ,,schädlichen‘‘ LDL, welches Cholesterin von der Leber in das Gewebe transportieren und so zur Verschlechterung der Atherosklerose führen kann. Enthält das Blut viel LDL, kann vermehrt Cholesterin an geschädigten Gefäßinnenwänden abgelagert werden und dort Atherosklerose auslösen. „Wie wir zeigen konnten, bindet HNP1 an LDL im Blut und fördert dadurch eine schnellere Aufnahme von LDL aus dem Blut in die Leber“, sagt Söhnlein. Dadurch kommt es zu einer Verminderung atherosklerotischer Läsionen.
Die Wissenschaftler hoffen, dass diese Ergebnisse Optionen für neue therapeutische Strategien eröffnen. „Da HNP1 beim Menschen natürlicherweise vorkommt, wäre eine Behandlung mit dem Protein vermutlich vergleichsweise nebenwirkungsarm und würde zudem die Immunabwehr nicht beeinträchtigen“, sagt Söhnlein.
Quelle: Pressemitteilung der LMU