„Jens Frahm ist nicht nur ein exzellenter Forscher, sondern er hat, was in Deutschland eher selten ist, auch den Blick dafür, wie aus wissenschaftlicher Erkenntnis eine medizinische und wirtschaftliche Erfolgsgeschichte werden kann,“ lobte Thomas Oppermann, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, den Göttinger Forscher in seiner Laudatio am 16. November bei der feierlichen Veranstaltung mit zahlreichen geladenen Gästen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. „Der Weg von der wissenschaftlichen Erkenntnis zur Innovation, vom Geistesblitz zur nützlichen Anwendung ist lang und erfordert viele unterschiedliche Kompetenzen. Ich bedanke mich daher für diese außergewöhnliche Auszeichnung auch im Namen der vielen Mitarbeiter und Kooperationspartner, mit denen ich das Glück hatte zusammenzuarbeiten“, sagte Frahm anlässlich seiner Aufnahme in die Hall of Fame.
Gibt es bei einem Patienten Auffälligkeiten im Hirngewebe? Wurden bei einem Unfallopfer innere Organe verletzt? Liegt ein Bandscheibenvorfall vor? Wie schlägt das Herz? Um derartige Fragen zu beantworten, nutzen Radiologen heutzutage selbstverständlich die MRT. Mit ihr lassen sich in kurzer Zeit präzise Schnittbilder unseres Körpers erzeugen, die insbesondere Weichteile und Organe besonders gut darstellen. Zudem ist das Verfahren – im Gegensatz zu Röntgentechniken wie der Computer-Tomografie – für den Patienten gesundheitlich völlig unbedenklich.
Dass die MRT heute nicht mehr aus dem klinischen Alltag wegzudenken ist, ist ganz wesentlich das Verdienst von Jens Frahm: Nach ihrer Erfindung 1973 war die MRT bis Mitte der 1980er-Jahre für den Einsatz in der Medizin schlicht zu langsam – eine einfache Schichtaufnahme dauerte mehrere Minuten. 1985 entwickelte Frahm mit seinen Mitarbeitern die FLASH (Fast Low Angle Shot)-Technik. Mit ihr verkürzte sich die Aufnahmezeit um mindestens den Faktor 100 und verhalf so der MRT zum Durchbruch in der medizinischen Diagnostik. Heute finden weltweit etwa 100 Millionen Untersuchungen im Jahr statt. FLASH ist damit das erfolgreichste Patent der Max-Planck-Gesellschaft.
Die MRT macht sich eine besondere Eigenschaft der im Körper allgegenwärtigen Wasserstoff-Atomkerne zunutze: ihren Drehimpuls, auch Kernspin genannt. Dieser Kernspin macht die Atomkerne zu winzigen Magneten. Befinden sich diese in einem Magnetfeld, richten sie sich entlang der Magnetfeldlinien aus. Ein Magnetresonanz-Tomograf erzeugt ein solches Magnetfeld und zusätzlich kurze Radiofrequenzpulse im UKW-Bereich, die die Kernmomente kurzzeitig aus ihrem Gleichgewicht auslenken. Wenn sie wieder in ihre ursprüngliche Ausrichtung zurückkehren, senden sie Radiowellen aus, die von hochempfindlichen Spulen aufgezeichnet werden. Vielfach wiederholt, lässt sich aus diesen Signalen am Computer ein Bild berechnen.
Ein grundlegendes Hemmnis der MRT waren jedoch die langen Messzeiten, die durch die vielen Einzelmessungen mit unterschiedlicher Ortskodierung und die dazwischen notwendigen Wartezeiten entstanden. Frahms FLASH-Technik nutzt für jede Einzelmessung nur einen Teil des verfügbaren MRT-Signals, um mit diesem physikalischen Trick die Pausen vollständig zu eliminieren und die Messzeit radikal zu verkürzen.
Im Jahr 2010 lösten Frahm und sein Team auch das Problem der hohen Zahl an erforderlichen Einzelmessungen: Sie stellten eine weitere Innovation vor, die ein neues mathematisches Verfahren für die Bildrekonstruktion nutzt und somit nur noch ganz wenigen Einzelmessungen pro Bild auskommt. Das Verfahren beschleunigt die MRT-Aufnahmen noch einmal deutlich. Die Messzeit für ein Bild lässt sich so bis zu einer Hundertstelsekunde reduzieren.
Damit ist es nun erstmals möglich, Echtzeit-Filme aus dem Inneren des Körpers aufzunehmen und Gelenkbewegungen, Sprechbewegungen, Schluckvorgänge oder das schlagende Herz „live“ zu beobachten. So lassen sich auch Patienten, die aus gesundheitlichen Gründen den Atem nicht lange anhalten können, im MRT untersuchen. Außerdem könnte die neue Technik in der Zukunft genutzt werden, um minimal-invasive Eingriffe und Behandlungen zu begleiten, die bisher unter Röntgenkontrolle durchgeführt werden. Das Echtzeit-MRT wird bereits an der Universitätsmedizin Göttingen und mehreren anderen Universitäten für den klinischen Einsatz erprobt.
Quelle: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.