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„Genschere“ Crispr/Cas9: Mit VIP-Eintrittskarte schneller ins Zellinnere


Um die doppelsträngige DNA gezielt zu verändern, müssen Enzyme in den Kern der Zielzelle transportiert werden: Wissenschaftler haben eine Art "VIP-Eintrittskarte" gefunden - ein Anhang aus einigen wenigen Aminosäuren - mit der die Enzyme schnell ins Zellinnere kommen. | © Leigh Prather - stock.adobe.com


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Mit der sogenannten „Genschere“ CRISPR/Cas9 kann gezielt die DNA verändert werden: Forschende weltweit erhoffen sich, damit Krebs und Erbkrankheiten wie zum Beispiel angeborene Herzfehler besser bekämpfen zu können. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Heidelberg ist es jetzt gelungen, das Genom-Editierungs-Verfahren und eine verwandte Methode zu optimieren und bislang unerreichbare DNA-Sequenzen zu verändern. Die Forschungsergebnisse wurden in den Fachzeitschriften „eLife“ und „Development“ veröffentlicht.

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Gene ausschalten, verändern oder neue Gene an einer bestimmten Stelle einfügen: Bei der Genom-Editierung wird die DNA gezielt verändert. Sie kommt in der Pflanzen- und Tierzucht, aber auch in der medizinischen und biologischen Grundlagenforschung zum Einsatz. Zu den gängigsten Verfahren gehören die „Genschere“ CRISPR/Cas9 und ihre als Base-Editoren bekannten Varianten. In beiden Fällen müssen Enzyme in den Kern der Zielzelle transportiert werden.

VIP-Eintrittskarte für den Zellkern

In drei aufeinander aufbauenden Studien ist es einem Team um den Heidelberger DZHK-Wissenschaftler Prof. Dr. Joachim Wittbrodt gelungen, die Methode effizienter zu machen und ihre Anwendungsreichweite zu steigern. Eine Herausforderung bei der Anwendung von CRISPR/Cas9 besteht darin, die dafür nötigen Cas9-Enzyme effizient in den Zellkern einzuschleusen. „Die Zelle verfügt über einen ausgeklügelten ‚Türsteher‘-Mechanismus. Er unterscheidet zwischen Proteinen, die in den Kern vordringen dürfen, und solchen, die im Zytoplasma verbleiben sollen“, erklärt Dr. Tinatini Tavhelidse-Suck aus dem Team von Prof. Wittbrodt. Den Zugang ermöglicht hier ein Anhang aus einigen wenigen Aminosäuren, der wie eine „Eintrittskarte“ funktioniert.

Die Wissenschaftler haben nun eine Art generell gültige „VIP-Eintrittskarte“ gefunden, die damit ausgestattete Enzyme sehr schnell in den Kern passieren lässt. Sie hat die Bezeichnung „high efficiency-tag“, kurz „hei-tag“, erhalten. Mit der „hei-tag-Eintrittskarte“ konnten Cas9-Enzyme im Japanischen Reiskärpfling, in Zellkulturen von Säugetieren und Mausembryonen sehr effizient und gezielt das Genom verändern.

Screening von angeborenen Herzfehlern

In einer weiteren Studie haben die Heidelberger Wissenschaftler nachgewiesen, dass Base-Editoren sich sogar für ein genetisches Screening eignen: In Zusammenarbeit mit dem DZHK-Wissenschaftler Dr. Dr. Jakob Gierten, Kinderkardiologe am Uniklinikum Heidelberg, haben sie bestimmte Genmutationen in den Blick genommen, die im Verdacht standen, angeborene Herzfehler beim Menschen auszulösen. Im Versuch mit Japanischen Reiskärpflingen konnten sie einen ursächlichen Zusammenhang zwischen genetischer Veränderung und Krankheitsbild herstellen.

Durch die Veränderung einzelner DNA-Bausteine der entsprechenden Gene im Modellorganismus konnten die Wissenschaftler Fischembryonen mit den beschriebenen Herzfehlern nachahmen und studieren. Der gezielte Eingriff führte bereits in den frühen Embryonalstadien der Fische zu sichtbaren Veränderungen am Herzen. Der Japanische Reiskärpfling ist ein exzellenter genetischer Modellorganismus, um Mutationen zu modellieren, wie sie bei dem jeweiligen Patienten auftreten. „Unsere Methode ermöglicht eine effiziente Screening-Analyse und könnte damit einen Startpunkt für die Entwicklung individualisierter medizinischer Behandlung bieten“, so Jakob Gierten.

Trick ermöglicht, Base-Editoren an bisher unerreichbaren Stellen einzusetzen

In einer dritten Studie hat die Arbeitsgruppe von Prof. Wittbrodt einen Weg gefunden, eine Einschränkung unter der Base-Editoren nicht funktionieren, zu umgehen: Denn damit ein solcher Editor überhaupt an die DNA der Zielzelle binden kann, muss dort ein bestimmtes Sequenzmotiv vorhanden sein. Mit einem Kniff konnten die Wissenschaftler die Anzahl der möglichen Einsatzorte von etablierten Base-Editoren um 65 Prozent steigern. So können nun auch DNA-Sequenzen geändert werden, die bislang unerreichbar waren. Der Trick ist, zwei Base-Editoren in einer einzelnen Zelle zeitlich nacheinander zu nutzen. In einem ersten Schritt wird ein neues DNA-Bindemotiv für einen weiteren Base-Editor erzeugt, woraufhin dieser zweite, gleichzeitig applizierte Editor eine Stelle editieren kann, die zuvor unerreichbar war.

Der European Research Council, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislaufforschung, die Deutsche Herzstiftung und die Joachim Herz Stiftung haben die Arbeiten und beteiligte Wissenschaftler gefördert.

Originalpublikationen:

T. Thumberger, T. Tavhelidse-Suck, J. A. Gutierrez-Triana, A. Cornean, R. Medert, B. Welz, M. Freichel, J. Wittbrodt: Boosting targeted genome editing using the hei-tag. eLife (25 March 2022), https://doi.org/10.7554/eLife.70558

A. Cornean, J. Gierten, B. Welz, J. L. Mateo, T. Thumberger, J. Wittbrodt: Precise in vivo functional analysis of DNA variants with base editing using ACEofBASEs target prediction. eLife (4 April 2022), https://doi.org/10.7554/eLife.72124

K. Pakari, J. Wittbrodt, T. Thumberger: De novo PAM generation to reach initially inaccessible target sites for base editing. Development (23 January 2023), https://doi.org/10.1242/dev.201115

 

Quelle: Pressemitteilung Universität Heidelberg