Jeder vierte Deutsche leidet am metabolischen Syndrom. Bei diesem „tödlichen Quartett“ treten von vier Wohlstandkrankheiten mehrere gleichzeitig auf: Fettleibigkeit, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung und Diabetes mellitus. Jede davon gilt als Risikofaktor für schwerwiegende Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, beispielsweise Herzinfarkte oder Schlaganfälle. Die Behandlung zielt darauf ab, Gewicht zu reduzieren und den Fett- und Kohlehydratstoffwechsel sowie den Blutdruck zu normalisieren. Neben Sport verordnen Ärztinnen und Ärzte eine kalorienarme und gesunde Ernährung. Daneben ist häufig auch eine medikamentöse Behandlung notwendig. Welche Effekte die Ernährung dabei auf das Mikrobiom, das Immunsystem und damit auf den Gesundheitszustand hat, ist allerdings nicht vollständig geklärt.
Eine Forschungsgruppe um Dr. Sofia Forslund und Professor Dominik N. Müller vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC) und vom Experimental and Clinical Research Center (ECRC) hat nun untersucht, was eine Ernährungsumstellung bei Menschen mit metabolischem Syndrom bewirkt. Das ECRC ist eine gemeinsame Einrichtung vom MDC und der Charité – Universitätsmedizin Berlin. „Eine Umstellung auf gesundes Essen wirkt sich positiv auf den Blutdruck aus“, fasst Andras Maifeld die Ergebnisse zusammen. „Geht der Diät eine Fastenkur voraus, verstärkt sich dieser Effekt sogar noch.“ Maifeld ist Erstautor der Arbeit, die gerade im Fachjournal „Nature Communications“ erschienen ist.
Broccoli statt Rinderbraten
Für die Studie wurden 71 Probanden mit metabolischem Syndrom und erhöhtem systolischen Blutdruck rekrutiert und nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt. Beide Gruppen ernährten sich drei Monate lang nach der DASH-Diät, dem Dietary Approach to Stop Hypertension – einem Ernährungsansatz gegen Bluthochdruck. Bei dieser „Mittelmeerdiät“ kommen viel Obst und Gemüse, Vollkornprodukte, Nüsse und Hülsenfrüchte, Fisch und mageres weißes Fleisch auf den Tisch. Eine der beiden Gruppen nahm fünf Tage lang keinerlei feste Nahrung zu sich, bevor sie mit der DASH-Diät begann.
Mithilfe der Immunphänotypisierung beobachteten die Wissenschaftler, wie sich die Immunzellen der Probanden während der Ernährungsumstellung verändern. „Das angeborene Immunsystem bleibt während des Fastens stabil, während sich das adaptive Immunsystem herunterfährt“, schildert Maifeld. Dabei nimmt insbesondere die Anzahl von entzündungsfördernden T-Zellen ab, während sich regulatorische T-Zellen vermehren.
Mittelmeerdiät ist gut – zusätzlich Fasten ist besser
Anhand von Stuhlproben untersuchten die Forschenden außerdem die Auswirkungen des Fastens auf das Mikrobiom des Darms. Die Darmbakterien stehen in engem Kontakt mit dem Immunsystem. So verstoffwechseln einige Bakterienstämme Ballaststoffe zu entzündungshemmenden kurzkettigen Fettsäuren, die das Immunsystem begünstigen. Während des Nahrungsverzichts verändert sich die Zusammensetzung des Ökosystems der Darmbakterien stark. Dabei vermehren sich vor allem die gesundheitsfördernden Bakterien, was die Blutdrucksenkung fördert. Einige dieser Veränderungen bleiben auch nach erneuter Nahrungsaufnahme. Besonders bemerkenswert: „Bei den Probandinnen und Probanden, die mit einer fünftägigen Fastenperiode in die gesunde Ernährung eingestiegen sind, blieben der Body Mass Index, der Blutdruck und der Bedarf an blutdrucksenkenden Medikamenten dauerhaft niedriger“, erläutert Dominik Müller. Normalerweise schießt der Blutdruck sofort wieder in die Höhe, wenn die blutdrucksenkende Tablette auch nur einmal vergessen wird.
Blutdruck bleibt dauerhaft niedriger – auch drei Monate nach dem Fasten
Um sicherzustellen, dass dieser positive Effekt tatsächlich auf das Fasten und nicht auf die Medikamente zurückzuführen war, die die Probandinnen und Probanden einnahmen, wertete Forslunds Arbeitsgruppe gemeinsam mit Forschenden des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig und der McGill University, Montreal, Kanada, diese Ergebnisse mithilfe einer Künstlichen Intelligenz statistisch aus. Dabei griffen sie auch auf Methoden aus einer früheren Studie zurück, in der sie den Einfluss von blutdrucksenkenden Medikamenten auf das Mikrobiom untersucht hatten. „So konnten wir den Einfluss der Medikamente herausfiltern und sehen, dass es von der individuellen Immunabwehr und dem Darmmikrobiom abhängig ist, ob jemand gut auf eine Ernährungsumstellung anspricht oder nicht“, sagt Forslund.
Lassen die Erfolge einer ballaststoffreichen, fettarmen Ernährung auf sich warten, könnte dies daran liegen, dass sich im Darmmikrobiom zu wenige der Darmbakterien tummeln, die Ballaststoffe zu schützenden Fettsäuren verstoffwechseln. „Die Betroffenen haben oft das Gefühl, dass sich der ganze Aufwand nicht lohnt und fallen in alte Muster zurück“, erläutert die Wissenschaftlerin. Deshalb empfiehlt es sich, eine Diät mit einer Fastenkur zu kombinieren. „Das Fasten wirkt wie ein Katalysator für die schützenden Mikroorganismen im Darm. Die Gesundheit verbessert sich sichtbar sehr schnell, die Patientinnen und Patienten können ihre Medikation reduzieren oder oftmals ganz auf Tabletten verzichten.“ Das könnte sie dazu motivieren, einen gesünderen Lebensstil dauerhaft beizubehalten.
Originalpublikation: András Maifeld et al.: Fasting alters the gut microbiome reducing blood pressure and body weight in metabolic syndrome patients, in Nature Communications, DOI: 10.1038/s41467-021-22097-0
Quelle: Pressemitteilung Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft
Diese wissenschaftliche Publikation wurde vom DZHK-Vorstand zum Paper of the Month Mai 2021 gewählt.