Einem Forscherteam um Prof. Dr. Georg Lutter, Oberarzt der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie und Principle Investigator am DZHK-Standort Hamburg/Kiel/Lübeck, war es 2013 weltweit erstmalig gelungen, einen Mitralklappenstent zu entwickeln, der am schlagenden Herzen eingesetzt werden kann. Das Implantat wird minimal-invasiv durch einen etwa drei Zentimeter kleinen Schnitt im Brustkorb und mit Hilfe eines Katheters zwischen zwei Rippen direkt ins Herz vorgeführt. Dort kann das Implantat die Aufgabe der defekten Mitralklappe sofort übernehmen. Der Eingriff dauert etwa eineinhalb Stunden.
Die in Kiel entwickelte neue Herzklappentechnologie wurde im Rahmen einer Zulassungsstudie mit über 300 Patientinnen und Patienten seit 2015 weltweit eingesetzt, darunter in den USA, Australien, Norwegen und Großbritannien. Dabei zeigte sich, dass bei 98 von 100 Patienten eine komplette Dichtigkeit dieses für die Herzleistung wichtigen Ventils auch nach zwölf Monaten erreicht werden konnte. Die Mehrzahl der Patientinnen und Patienten wies neben der Erholung der Herzfunktion auch eine wesentliche Verbesserung ihrer Nierenfunktion auf. Insgesamt nahm die Lebensqualität der Betroffenen zu: Die Patientinnen und Patienten bekamen wieder leichter Luft, konnten sich mehr bewegen und fühlten sich deutlich wohler. Diese für die Erkrankten sehr günstigen Resultate wurden unter anderem in dem renommierten Journal of the American College of Cardiology beschrieben.
Die Mitralklappe ist eine der vier Klappen des Herzens. Sie befindet sich zwischen dem linken Vorhof und der linken Herzkammer. Schließt sie nicht vollständig, fließt bei jedem Herzschlag Blut in den linken Vorhof zurück. Die moderate oder schwere Mitralklappeninsuffizienz ist der zweithäufigste Herzklappenfehler in Europa. Bei einer ausgeprägten Insuffizienz werden die Organe nicht mehr mit ausreichend sauerstoffreichem Blut versorgt und es kommt zu einer eingeschränkten Lungenfunktion. Atemnot, Wasser in der Lunge und starke Müdigkeit können auf diese Fehlfunktion des Herzens hinweisen.
Üblicherweise werden defekte Herzklappen im Rahmen bewährter chirurgischer Eingriffe ersetzt oder rekonstruiert, bei denen der Brustkorb unter Vollnarkose ganz oder auch nur zu einem kleinen Teil geöffnet und die Herztätigkeit vorübergehend von einer Herz-Lungen-Maschine übernommen wird. Der Klappenersatz mittels Katheter kommt vorrangig dann zum Einsatz, wenn aufgrund von Nebenerkrankungen dieses Vorgehen medizinisch nicht vertretbar ist.
Bislang wurden Katheterverfahren für den Ersatz zweier Herzklappen entwickelt, der Lungenschlagaderklappe (Pulmonalklappe) und der Hauptschlagaderklappe der Aorta (Aortenklappe). So können seit 2008 neue Aortenklappen unter bestimmten Voraussetzungen mittels eines minimal-invasiven Katheterverfahrens (TAVI) am UKSH, Campus Kiel, eingesetzt werden. Mehr als 1.800 Patientinnen und Patienten wurden bereits auf diese Weise behandelt. Da für die Implantation der Aortenklappe mit Hilfe eines Katheters nur ein kleiner Schnitt und teilweise keine Narkose nötig ist, kann die Operationszeit und die körperliche Belastung für die Patientinnen und Patienten deutlich reduziert werden. „Das Gleiche gilt für den Einsatz des neuen Mitralklappenstents mittels eines Katheters“, sagt Prof. Lutter, der den Forschungslehrstuhl für Experimentelle Herzchirurgie und Klappenersatz an der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie leitet. Die Patientinnen und Patienten benötigen nur eine Kurznarkose. Die Zulassungsstudie zeigte, dass viele von ihnen bereits fünf Tage nach dem Eingriff wieder nach Hause entlassen werden konnten.
Im Gegensatz zur Aortenklappe ist die Versorgung der Mitralklappe durch einen Klappenstent allerdings deutlich komplexer: „Die große Herausforderung bei der Entwicklung des neuen Katheterverfahrens war die Tatsache, dass die Mitralklappe sehr beweglich ist und sich zwischen zwei linken Herzkammern befindet“, sagt Prof. Lutter. „Dort gibt es eine starke Muskelbewegung und eine große Strömung, so dass die neue Mitralklappe, die auch mit dem Herzkatheter über einen kleinen Brustkorbschnitt unterhalb der linken Brust eingesetzt wird, einen guten Halt zur Fixierung in diesem Bereich aufweisen muss.“ Inzwischen ist das Verfahren allerdings so ausgereift, dass selbst schlecht schließende und stark verkalkte Mitralklappen gut behandelt werden können.
Kontakt: Prof. Dr. Georg Lutter, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie, georg.lutter(at)uksh.de
Quelle: Pressemitteilung Universitätsklinikum Schleswig-Holstein
Translational Research Project: Transapical mitral-valve stent implantation without using a heart-lung machine