Die Deutsche Herzstiftung appelliert an die EU-Arzneimittelbehörde (EMA): Die Öffentlichkeit muss vollständigen Zugang zu klinischen Studiendaten erhalten.
(Frankfurt a. M., 8. September 2014) Mit Sorge verfolgt die Deutsche Herzstiftung die Unentschiedenheit der Europäischen Zulassungsbehörde für Arzneimittel (European Medicines Agency, EMA) bei ihrem Vorhaben, der Öffentlichkeit Zugang zu den vollständigen Daten klinischer Studien zu gewährleisten und damit zu mehr Transparenz in der Offenlegung von Studiendaten beizutragen. Studiendaten, die für Nutzen und Risiken eines neuen Medikaments von Bedeutung sind, müssen von den Arzneimittelherstellern für die Marktzulassung bei der Londoner Behörde eingereicht werden. „Neben der EMA sollte auch die Fachöffentlichkeit vollständigen Zugang zu den Studiendaten erhalten. Dies ist für eine unabhängige wissenschaftliche Bewertung und somit für die Sicherheit der Patienten, denen neue Medikamente im Rahmen ihrer Therapie verbreicht werden, unerlässlich“, betont Prof. Dr. med. Thomas Eschenhagen, Direktor des Instituts für Experimentelle Pharmakologie und Toxikologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Vorstand des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) sowie Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Herzstiftung.
Die EMA nimmt in der Bewertung neuer Medikamente in Europa eine Schlüsselstellung ein: „Weder Fachpublikationen noch andere öffentliche Dokumente reichen an den Informationsgehalt der vollständigen klinischen Studien heran, wie sie der EMA vorliegen“, berichtet das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Kritisch sieht deshalb die Deutsche Herzstiftung, dass die EMA nun womöglich doch nur einen eingeschränkten Zugang zu den Daten erlauben wird. Dies geht u.a. aus folgenden Kritikpunkten hervor:
- Laut IQWiG sieht ein EMA-Entwurf vor, „dass die Industrie im Rahmen ihrer Zulassungsanträge jeweils zwei Studienberichtsfassungen bei der EMA einreicht: eine vollständige, anhand derer die EMA über die Zulassung entscheidet, und eine unvollständige für die Fachöffentlichkeit.“ Ein solches Verfahren hätte Zensurcharakter, denn aufgrund der unvollständigen Fassung würde für die Bewertung der Studiendaten durch Dritte eine Informationslücke entstehen: vorenthaltene Informationen würden dem Zugriff durch die Öffentlichkeit entzogen.
- In einem Beitrag in der britischen Fachzeitschrift BMJ berichtet Autorin I. Torjesen über einen Entwurf der EMA, in dem die Behörde Informationen vorenthalten dürfe, wenn die Offenlegung der Daten die wirtschaftliche und Wettbewerbsposition des betreffenden Pharmaunternehmens gefährden könnte.
- Im Mai 2014 hatte die EMA bekannt gegeben, ein Zugang zu den klinischen Studiendaten sei nur in einem „View on screen only“-Modus, d. h. nur in der Ansicht am Bildschirm zu erlauben, nicht jedoch das Herunterladen, das Abspeichern, die Bearbeitung, das Ausdrucken und die Verteilung und Übertragung der Informationen. Solche Schritte sind aber für eine wissenschaftlich fundierte Auswertung von Studiendaten für eine Nutzenbewertung und für den notwendigen Austausch zwischen Wissenschaftlern unerlässlich.
Laut einer Erklärung vom 9. Juli gedenkt die EMA nun doch von diesem „View on Screen only“-Modus abzurücken und die Speicherung, das Herunterladen und Ausdrucken von Daten zuzulassen, sofern diese für akademische Zwecke und nicht kommerziell verwendet werden. Dies bewertet die Herzstiftung zwar als positiven Schritt. „Allerdings sehen wir aufgrund des bisherigen Schlingerkurses der EMA in ihren Bemühungen um mehr Transparenz dem Beschluss zur neuen Transparenz-Regelung am 2. Oktober mit Skepsis entgegen“, räumt Prof. Eschenhagen ein. „Wir appellieren deshalb an die EMA, in ihrem Beschluss allen wissenschaftlichen Ansprüchen an eine uneingeschränkte Offenlegung klinischer Studiendaten gerecht zu werden und so auch im Sinne der Deklaration von Helsinki zu handeln.“