Im Alter noch gesund und fit zu sein, ist ein Wunsch, den wir wohl alle teilen. Um das zu erreichen, ist es u. a. notwendig, dem Inflammaging, zu Deutsch: Entzündungsaltern, entgegenzuwirken. Inflammaging bedeutet, dass es bei älteren Menschen zu einer erhöhten Ausschüttung von entzündungsfördernden Zytokinen kommt, was zu einem anhaltenden leichtgradigen Entzündungsgeschehen führt. Dieses stört die normalen Zellfunktionen und begünstigt altersbedingte Erkrankungen des Stoffwechsels, des Herz-Kreislauf-Systems und des Bewegungsapparats, wie z. B. Sarkopenie.
Erst kürzlich wurde der Begriff "Inflamm-Aging" auf "Inflamm-Inaktivität" ausgeweitet, da verschiedene Studien gezeigt haben, dass eine bewegungsarme Lebensweise einen relevanten Anteil an den entzündlichen Prozessen hat. Mit regelmäßiger Bewegung kann diesen jedoch auch im höheren Alter entgegengewirkt werden. Aus anderen Untersuchungen ist bekannt, dass bestimmte Ernährungsweisen die Entzündungsbelastung bei älteren Menschen reduzieren können. Jedoch gibt es bisher keine Studien, die den Effekt von Vibrationstraining in Kombination mit einer Ernährungsumstellung (insbesondere Omega-3-Supplementierung) auf das Entzündungsgeschehen bei älteren Menschen untersucht haben.
Das 8-Wochen-Programm
Ein interdisziplinäres DIfE-Forscherteam um DZHK-Wissenschaftlerin Prof. Kristina Norman, Leiterin der Abteilung Ernährung und Gerontologie, und PD Dr. Olga Ramich, Leiterin der Forschungsgruppe Molekulare Ernährungsmedizin, wollte daher herausfinden, wie sich eine Ernährung, die reich an Omega-3-Fettsäuren und Proteinen ist, in Kombination mit körperlicher Betätigung auf das Entzündungsgeschehen bei älteren Menschen auswirkt. Vor diesem Hintergrund führten die Wissenschaftlerinnen eine 8-wöchige, randomisiert-kontrollierte Interventionsstudie mit 61 gesunden Frauen und Männern aus dem Potsdamer Umland im Alter von 65 bis 85 Jahren durch. Alle Teilnehmenden erhielten ein aufbauendes Trainingsprogramm, bestehend aus einem angeleiteten Vibrationstraining im Institut sowie selbständigen Kraftübungen für zuhause. Darüber hinaus wurden die Teilnehmenden per Zufallsprinzip einer von drei Ernährungsweisen zugeordnet. Die erste Gruppe hat sich mithilfe eines Molkenproteindrinks proteinreich (1,2-1,5 g Protein/kg Körpergewicht/Tag) ernährt und erhielt außerdem täglich ein Omega-3-reiches Algenöl (3,5 ml/Tag). Die zweite Gruppe nahm ebenfalls den Molkenproteindrink zu sich, bekam aber kein Algenöl. Die dritte Gruppe diente als Kontrolle und hat abgesehen vom Training keine weiteren Empfehlungen erhalten und daher die gewohnte Ernährung weitergeführt.
Blutanalysen geben Einblick ins Entzündungsgeschehen
Zu Beginn und am Ende der Studie wurde den Teilnehmenden Blut abgenommen, sodass die Forschenden den Omega-3-Plasmaindex messen und verschiedene Entzündungsmarker (Zytokine), wie z. B. das entzündungsfördernde Interleukin-6, bestimmen und vergleichen konnten. Zum einen untersuchte das Forscherteam die Konzentrationen an zirkulierenden Zytokinen im Blutserum. Zum anderen analysierten sie in sogenannten peripheren mononukleären Blutzellen – dazu zählen z. B. Lymphozyten und Monozyten – die Expressionslevel von Genen, die für die Synthese dieser Zytokine zuständig sind. Weiterhin führten die Forschenden einen Ex-vivo-Vollbluttest durch: In diesem stimulierten sie die in den Blutproben enthaltenen Immunzellen mit bakteriellen Lipopolysacchariden (LPS-Stimulierung) und bestimmten die dadurch ausgelöste Zellaktivierung und Zytokinfreisetzung.
„Wir konnten zeigen, dass bei den männlichen Studienteilnehmenden eine Omega-3-haltige, proteinreiche Ernährung in Kombination mit körperlicher Betätigung zu einer Verringerung des Entzündungsgeschehens führt“, erklärt Prof. Norman, „Sowohl die Menge der zirkulierenden Zytokine als auch deren Genexpression waren signifikant reduziert.“ Die verringerten Genexpressionslevel konnten ebenfalls in der zweiten Gruppe beobachtet werden, die sich proteinreich ernährte, aber kein zusätzliches Omega-3 bekam. Bei der Kontrollgruppe, die nur das Training absolviert hatte, blieben diese Effekte aus. „Möglicherweise war das Training zu kurz oder zu mild“, sagt Ulrike Haß, Erstautorin der Studie.
Bei den Tests zur Immunantwort nach LPS-Stimulierung stellten die Wissenschaftlerinnen fest, dass allein die Bewegungsintervention zu einer geringeren entzündungsfördernden Reaktion gewisser Zytokine der Blutzellen führte.
Es ist nie zu spät für einen gesunden Lebensstil
Die entscheidende Erkenntnis der aktuellen Studie ist laut Prof. Norman: „Das Entzündungsgeschehen bei älteren Menschen, das in Zusammenhang mit der Entstehung zahlreicher Erkrankungen steht, ist durch Ernährung und Sport teilweise beeinflussbar.“ Demnach ist es auch im Alter noch sinnvoll, sich einen gesunden Lebensstil anzueignen.
In zukünftigen Untersuchungen wollen die Wissenschaftler der Frage nachgehen, ob pflanzliche Proteine dieselbe Wirkung erzielen wie das in dieser Pilotstudie verwendete Molkenprotein. Darüber hinaus wollen sie den Effekt von Ernährung und Bewegung bei älteren Menschen untersuchen, die bereits chronische Erkrankungen haben.
Originalpublikation: Haß, U., Heider, S., Kochlik, B., Herpich, C., Pivovarova-Ramich, O., Norman, K.: Effects of Exercise and Omega-3-Supplemented, High-Protein Diet on Inflammatory Markers in Serum, on Gene Expression Levels in PBMC, and after Ex Vivo Whole-Blood LPS Stimulation in Old Adults. Int. J. Mol. Sci. 2023, 24(2):928. [Open Access] https://doi.org/10.3390/ijms24020928
Wissenschaftliche Ansprechpartnerin: Prof. Dr. Kristina Norman, Leiterin der Abteilung Ernährung und Gerontologie, kristina.norman(at)dife.de