Menschen mit angeborenen Herzfehlern haben ein höheres Risiko, an einer infektiösen Endokarditis zu erkranken, als herzgesunde Menschen. Die Entzündung der Herzinnenhaut und der Herzklappen ist gefährlich. In einigen Fällen endet eine Endokarditis trotz Behandlung tödlich. Die in der Regel durch Bakterien, seltener durch Pilze, ausgelöste Erkrankung ist zugleich eine der häufigeren Komplikationen nach Ersatz der Pulmonalklappen. Etwa jeder zehnte angeborene Herzfehler erfordert mindestens einen solchen Eingriff. Eine bundesweite Studie hat das Endokarditis-Risiko nach Klappenersatz erstmals umfassend untersucht.
Weltweit größte retrospektive Analyse
Das Forscherteam wertete die medizinischen Daten von 1.171 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Nationalen Registers im Alter zwischen 0 und 81 Jahren aus, die mindestens einen Pulmonalklappenersatz erhalten haben. Über einen Zeitraum von im Durchschnitt 10 Jahren pro Patientin und Patient beobachteten die Forscherinnen und Forscher, wie sich Alter, Geschlecht, Häufigkeit der Erneuerung der Pulmonalklappen, Zeitpunkt und Art des Eingriffs sowie verwendete Klappenarten auf das Risiko auswirken, an einer Endokarditis zu erkranken.
„Bisherige Erkenntnisse dazu gingen auf Daten aus vergleichsweise kleinen Kohorten zurück. Mit Unterstützung des Nationalen Registers und des Kompetenznetzes Angeborene Herzfehler konnten wir erstmals in einem breiten Anteil der Bevölkerung nachbeobachten, wie sich die Gesundheit der Patienten nach einer Klappenimplantation durch eine Katheterintervention oder Operation entwickelte“, erläutert Clara Stammnitz, die die Studie im Rahmen ihrer Doktorarbeit durchführte. Während des Beobachtungszeitraums konnten die Daten von 1.598 Pulmonalklappenersätzen ausgewertet werden. Erfasst wurden alle Fälle einer Endokarditis in den Jahren 2007 bis 2017, die im Zusammenhang mit einem Pulmonalklappenersatz auftraten.
Klappenersatz aus der Halsvenenklappe vom Rind stellt besonderes Risiko dar
Dabei zeigte sich, dass bei der infektiösen Endokarditis vor allem drei Risikofaktoren im Spiel sind. Männliche Patienten hatten ein höheres Risiko, an einer Endokarditis zu erkranken, als weibliche. Dieses Risiko stieg bei einer höheren Anzahl an erforderlichen Klappenersatz-Implantationen pro Patient zusätzlich. Zeitpunkt und Art des Eingriffs sowie die Größe des Implantats spielten indes keine Rolle. Ein besonderes Risiko stellte jedoch der biologische Pulmonalklappenersatz aus Material der Halsvene vom Rind dar. „Der Einsatz von Contegra- und Melody-Klappen stand in Zusammenhang mit einem erhöhten Auftreten der Endokarditis“, sagt Clara Stammnitz.
Zu den Ursachen müsse allerdings noch genauer geforscht werden, sagt Sabine Klaassen. „Da sich im Ergebnis kein Unterschied des Endokarditis-Risikos zwischen Patientinnen und Patienten mit einem operativen und einem interventionellen Klappenersatz feststellen ließ, nehmen wir an, dass das erhöhte Auftreten einer Endokarditis bei Contegra- und Melody-Klappen mit der Herkunft ihres Materials aus der Halsvenenklappe des Rindes zusammenhängt. Zugleich zeigte sich, dass das Risiko einer Erkrankung mit der Anzahl notwendiger Re-Operationen steigt“, so die Studienautorin und Charité Ärztin weiter. Die Klappenersätze von menschlichen Spendern (Homografts) sowie Klappenersätze aus anderen tierischen Materialien (Heterografts), etwa aus dem Herzbeutel des Rinds, zeigten dagegen ein sehr geringes Infektionsrisiko.
Originalpublikation: Stammnitz C., Huscher D., Bauer UMM., Urban A., Nordmeyer J., Schubert S., Photiadis J., Berger F., Klaassen S., German Competence Network for Congenital Heart Defects Investigators. Nationwide Registry-Based Analysis of Infective Endocarditis Risk After Pulmonary Valve Replacement. Journal of the American Heart Association 11, 5, e022231, (2022). www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/35179045
Quelle: Pressemitteilung Kompetenznetz Angeborene Herzfehler