„Herz-Kreislauferkrankungen können besser behandelt werden denn je. Um weiteren Fortschritte zu erreichen, muss Grundlagenforschung wieder ganz groß eschrieben werden“, sagte Prof. Dr. Thomas Eschenhagen (Hamburg), Tagungspräsident der 84. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und Vorstansprecher des DZHK auf einer Pressekonferenz. Auf der DGK-Jahrestagung werden von 4. bis 7. April in Mannheim 8.500 aktive Teilnehmer erwartet. Kongress-Motto ist „Von der Grundlagenforschung zur Hochleistungsmedizin“.
„Da wir Herz-Kreislauf-Erkrankungen immer besser in den Griff bekommen, entsteht in der Öffentlichkeit und bei politischen Entscheidungsträgern oft der Eindruck, dass in diesem Bereich bereits alles geklärt sei“, so Prof. Eschenhagen. „Dabei wird vergessen, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach wie vor zu den häufigsten Todesursachen zählen. Zudem steigt, im Gegensatz zu Krebs, die Zahl der Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit dem Alter immer mehr an und auch die Risikofaktoren Diabetes und Übergewicht nehmen weltweit kontinuierlich zu. Außerdem verstehen wir nach wie vor nicht alle Herz-Kreislauf-Erkrankungen gut. Daher spreche ich mich vehement dafür aus, die Grundlagenforschung weiter intensiv zu fördern.“
Schwerpunkte der DGK-Jahrestagung im Bereich Grundlagenforschung
Es gab in den letzten Jahren große Investitionen in die Grundlagenforschung, berichtet Prof. Eschenhagen, insbesondere für die translationale Forschung – die Übertragung von experimenteller Forschung in die medizinische Praxis – habe die deutsche Bundesregierung viel Geld in die Hand genommen: „Das wirkt sich zwar noch nicht auf die Forschungsstatistiken aus, dennoch passieren derzeit in manchen deutschen Forschungsbereichen spannende Dinge.“ So werden bei der Jahrestagung in einer Session Forschungsentwicklungen zu den nicht kodierenden RNAs präsentiert. Prof. Eschenhagen: „Man hat mit Erstaunen festgestellt, dass das humane Genom zum überwiegenden Teil aus nicht kodierenden Bereichen besteht. Nur zwei bis drei Prozent dienen der Kodierung von Proteinen, alles andere ist regulatorisch. Durch die Erforschung der nicht kodierenden RNAs erhofft man, neues therapeutisches Potenzial für die Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu gewinnen.“
Im Bereich der neuen Technologien ist die CRISPR/Cas9 Methode in letzten Jahren zu einem wichtigen Instrument geworden. Mit dieser Genom-Editierung kann man mit hoher Präzision und Effektivität Gensequenzen manipulieren und möglicherweise auch angeborene Gendefekte – etwa Kardiomyopathien – behandeln und zu einer definitiven Gentherapie kommen.
Im Bereich der genetischen Grundlagen gibt es viele neue Erkenntnisse. Prof. Eschenhagen: „Bisher kommt aber noch nicht sehr viel bei den Patienten an. In den großen Feldern Herzinfarkt, Hypertonie und Herzinsuffizienz kann man für die individuellen Patienten bislang nur in Ausnahmefällen Aussagen treffen.“
Personalisierte Medizin und „Big Data“
Im Bereich der personalisierten Medizin und der „Big Data“ bestehe aber die Hoffnung, durch die Auswertung großer Datenmengen individuelle Charakteristika frühzeitig erkennen und dadurch Krankheiten auch individuell therapieren zu können. „Beispielhaft stehen dafür die angeborenen Herzkrankheiten“, so Prof. Eschenhagen. Wenn etwa schon früh festgestellt werden kann, ob jemand an einer hypertrophen (Anm.: durch Herzmuskel-Zunahme) oder einer dilatativen (Anm.: durch Erweiterung) Kardiomyopathie (Anm.: Herzschwäche) leidet, so könnte man auch schon frühzeitig in die eine oder andere Richtung behandeln. Prof. Eschenhagen: „Wir könnten uns vom jetzt vorherrschenden ‚one for all‘-Prinzip verabschieden, das in der Regel erst viel später mit der Therapie einsetzt.“
Beim Thema Vorhofflimmern war die letzte große Neuerung die Ablation (Verödung), die mittlerweile seit zwanzig Jahren etabliert ist, berichtet der Tagungspräsident des DGK-Kongresses: „Bei frühen Formen des Vorhofflimmerns erwies sie sich als sehr effizient, bei späten jedoch nicht. Daher arbeiten aktuell viele Forscher an gezielten neuen Ablations-Strategien.“
Pluripotenten Stammzellen geben Hoffnung auf echte Erneuerung der Herzmuskelfunktion
Ein großes Thema der Kardiologie bleibe die Regeneration des Herzmuskels. Jede Herzmuskelzelle, die im Laufe des Lebens vereinzelt oder bei Herzinfarkten in großer Zahl stirbt, ist definitiv verloren. Daher arbeitet die Forschung intensiv an Methoden, die sehr niedrige natürliche Regenerationsrate, die weniger als ein Prozent pro Jahr beträgt, zu stimulieren oder aus Stammzellen neue Herzmuskelzellen herzustellen und diese als Zellsuspension oder als Herzmuskelflicken in geschädigte Herzen einzubringen. Prof. Eschenhagen: „Nach eher enttäuschenden Ergebnissen der Knochenmarkzelltherapie gibt es hier zum Beispiel mit den pluripotenten Stammzellen (Anm.: diese können sich in unterschiedliche Richtungen entwickeln) neue berechtigte Hoffnung auf echte Erneuerung der Herzmuskelfunktion.“
Die deutsche Herz-Kreislauf-Forschung belegt derzeit in Bezug auf die Zahl von Publikationen hinter den USA den zweiten Rang. In den Bereichen Vorhofflimmern und Aortenklappen liegen die deutschen Forscher auf Platz zwei, bei der Herzinsuffizienz auf Platz vier, bei der Atherosklerose allerdings nicht unter den Top fünf.
Quelle: Pressemitteilung DGK