Die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) plant einen Forschungsneubau für ein bundesweit einmaliges Wissenschaftsvorhaben: das Heart and Brain Center Göttingen (HBCG). Den Antrag der UMG dazu hat der Wissenschaftsrat positiv bewertet und heute seine Empfehlung für eine Förderung an die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern ausgesprochen. In dem Wettbewerb werden Fördermittel nur für Anträge von Forschungsgebäuden von nationaler Bedeutung vergeben. Die UMG erhält zum ersten Mal eine solche Förderungsempfehlung.
Das geplante Gebäude schafft eine gemeinsame Forschungsinfrastruktur zur wissenschaftlichen Bearbeitung organübergreifender Ursachen von häufigen Krankheiten des Herz-Kreislauf-Systems und des Nervensystems. In dem Gebäude werden künftig interdisziplinäre, wissenschaftliche Heart and Brain Studien durchgeführt. Dabei sollen zwei Forschungsschwerpunkte der UMG, die Herz-Kreislauf-Medizin und die Neurowissenschaften, räumlich zusammengeführt werden. Bislang arbeiten Kardiologie und Neurologie bei der Diagnostik und Behandlung der Krankheitsbilder wie bei der entsprechenden Forschung fachlich und räumlich voneinander getrennt.
Ein vergleichbares, direktes experimentelles und translationales Zusammenwirken von kardiovaskulären und neurologischen Forschern, wie sie im HBCG geplant ist, existiert an keinem anderen Forschungsstandort in Deutschland. Auch international gibt es keine direkt vergleichbaren Vorhaben. Das Zusammenwirken der kardiologischen und neurowissenschaftlichen Schwerpunkte schafft damit einen bundesweit einzigartigen innovativen Forschungsfokus, um Krankheitsmechanismen verstehen zu können sowie Präventions- und Therapieverfahren zu entwickeln. Der Förderantrag der UMG wurde unter Federführung von Prof. Dr. Gerd Hasenfuß, Direktor der Klinik für Kardiologie und Pneumologie, und Prof. Dr. Mathias Bähr, Direktor der Klinik für Neurologie, eingereicht.
Optimale Bedingungen
Prof. Dr. Heyo K. Kroemer, Sprecher des Vorstands der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), sagt: „Die Möglichkeit der Erforschung von Herz- und Hirnerkrankungen in einem gemeinsamen Forschungsbau wird die interdisziplinäre Zusammenarbeit auf ein neues Niveau heben. Eine Zusammenarbeit in dieser Form gibt es bislang noch nicht. Angesichts der demografischen Entwicklung in Deutschland ist das HBCG ebenso notwendig wie innovativ. Sie wird die Wettbewerbsfähigkeit der Göttinger Universitätsmedizin bundesweit massiv stärken. Darüber hinaus wird das HBCG durch seine Einzigartigkeit auch internationale Nachwuchswissenschaftler in die entsprechenden Göttinger Forschungsprogramme ziehen.“
Die niedersächsische Wissenschaftsministerin Gabriele Heinen-Kljajić sagt: „Die niedersächsischen Hochschulen überzeugen einmal mehr durch Spitzenergebnisse in wichtigen Forschungsfeldern. Mit den Bauvorhaben schaffen wir die nötige Infrastruktur und stärken den Forschungsstandort.“
Das Forschungsgebäude HBCG
Das Baugelände für das geplante HBCG befindet sich auf dem Campus der UMG in unmittelbarer Nähe der neu gebauten Forschungsinfrastruktur. Die Projektkosten liegen bei zirka 31,6 Mio. Euro, davon entfallen insgesamt 2,1 Mio. Euro auf vier Großgeräte. Geplant sind in dem Gebäude gemeinsame zell- und molekularbiologische Labore, Bereiche für die Untersuchung von Probanden, innovative Großgeräte, eine Serverinfrastruktur mit entsprechendem Datenbank-Konzept. In dem Forschungsgebäude sollen zirka 100 Personen aus Wissenschaft und Administration tätig sein. Der Baubeginn ist für das Jahr 2018 vorgesehen, das Gebäude soll im Jahr 2022 bezugsfertig sein.
Konzept mit einmaligem Charakter
Das Konzept des HBCG ist hochinnovativ. Es will die exzellente Expertise aus Neurologie und Kardiologie an der UMG, deren methodische Kompetenzen sowie die translationale Ausrichtung der gemeinsamen Forschungsaktivitäten bündeln. Der an der UMG konzipierte Herz-Gehirn-Muskel-Systemansatz macht eine Entwicklung neuer diagnostischer und therapeutischer Verfahren möglich, die bislang durch die herkömmlichen, organspezifischen Forschungsansätze nicht zugänglich sind.
Das HBCG verknüpft die am Göttingen Campus ausgewiesene wissenschaftliche, krankheitsorientierte Expertise in der Neurologie, der Skelettmuskelforschung und der Kardiologie mit der Methodenkompetenz u.a. der Biologie und der molekularen Biowissenschaften, der Bildgebung und Informatik, der Physik, der Pharmakologie und Humangenetik. Im HBCG erfolgen somit erstmalig systematische experimentelle, theoretische und klinische Untersuchungen von Faktoren für Erkrankungen der drei Organsysteme. Das neue HBCG wird somit in die Weiterentwicklung der Kooperationsbeziehungen mit den außeruniversitären Einrichtungen am Göttingen Campus eingebettet sein.
Die angestrebte Errichtung des HBCG stärkt zudem die weitere Profilbildung der UMG im Hinblick auf die laufende Exzellenzstrategie der Universität Göttingen mit ihren Partnern am Göttingen Campus. Gewinnen wird mit dem neuen Forschungsgebäude auch die Entwicklung der biomedizinischen Wissenschaften in Göttingen.
Hintergrund
Herzinsuffizienz ist die häufigste Krankenhausdiagnose in Deutschland, mit steigender Bedeutung. Derzeit erleiden zirka 1,1 Millionen Europäer jährlich einen Schlaganfall und 1,5 Millionen einen Herzinfarkt. Vielfach besteht ein enger Zusammenhang zwischen Herz-Kreislauf- sowie neurologischen und neuro-muskulären Erkrankungen. Aktuell sind etwa 350.000 und damit rund 40 Prozent aller Todesfälle in Deutschland im Jahr auf Herz-Kreislauf- sowie neurologische und neuro-muskuläre Erkrankungen zurückzuführen. Bei jüngeren Patienten erhöhen sich aktuell die entsprechenden Raten.
Die Erhöhung des Risikos einer Demenz bei kardiovaskulären Erkrankungen ist sowohl für die Alzheimer Demenz als auch für vaskuläre Demenz eindeutig belegt. Prominente Beispiele hierfür sind der Schlaganfall durch Embolie bei Vorhofflimmern oder die kognitive Funktionsstörung bei Herzschwäche im Hinblick auf Aufmerksamkeit, Lernfähigkeit, Kurzzeitgedächtnis und Informationsverarbeitung. Die Gründe hierfür sind bislang weitgehend unverstanden.
Die klinische und gesellschaftliche Bedeutung dieser Erkrankungen ist somit erheblich, insbesondere angesichts der demographischen Entwicklung. Das macht deutlich, dass bessere Präventions- und Protektionsstrategien entwickelt werden müssen.
Der Wissenschaftsrat: Empfehlungen
Der Wissenschaftsrat berät die Bundesregierung und die Regierungen der Länder in Fragen der inhaltlichen und strukturellen Entwicklung der Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung. Insgesamt hat der Wissenschaftsrat für die aktuelle Förderphase des Bund-Länder-Programms für Forschungsbauten 13 Vorhaben begutachtet und zwölf für das Förderjahr 2018 empfohlen. Bund und Länder finanzieren seit dem Jahr 2007 über die „Gemeinschaftsaufgabe Forschungsbauten“ jeweils zur Hälfte Projekte, denen vom Wissenschaftsrat in einem zweistufigen wettbewerblichen Verfahren eine nationale Bedeutung sowie eine innovative und zukunftsfähige Forschungsprogrammatik bescheinigt worden ist.
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Bundesweit einmalig: Forschungsgebäude „Heart and Brain Center Göttingen“ an der UMG