Wie entsteht das herzschützende Molekül in Herzmuskelzellen? Die Wissenschaftler wussten aus früheren Studien, dass es sich bei dem Schutzmolekül um ein kleines Stück des Proteins HDAC4 handelt. Sie suchten deshalb nach einem Enzym, das Proteine zerschneidet, einer sogenannten Protease. „Wir haben es nun gefunden. Es heißt ABHD5 und zerschneidet HDAC4, wodurch das herzschützende Proteinstück HDAC4-NT entsteht“, sagt Professor Johannes Backs, Sprecher des DZHK-Standortes Heidelberg/Mannheim und Direktor des Instituts für Experimentelle Kardiologie am Universitätsklinikum Heidelberg. Bisher kannten die Wissenschaftler ABHD5 nur aus dem Fettstoffwechsel. Dort leitet es die Verdauung von gespeicherten Fettsäuren ein. Bislang hatte noch niemand gezeigt, dass ABHD5 auch Proteine schneiden kann. „Unsere Ergebnisse könnten neue Möglichkeiten eröffnen, die Herzschwäche zu behandeln, zum Beispiel indem man ABHD5 gezielt aktiviert“, so Backs.
Wichtiger Zweitjob
ABHD5 sitzt in den Zellen auf Fetttröpfchen, in denen die Fettsäuren gespeichert sind. Erhalten die Zellen ein Signal, dass Energie benötigt wird, kommt es über mehrere molekulare Schritte dazu, dass ABHD5 aktiv wird und den Abbau der Fettsäuren einleitet. So ein Signal entsteht zum Beispiel bei sportlicher Belastung durch die dabei ausgeschütteten Stresshormone. Die Heidelberger Forscher konnten nun zeigen, dass dieser Signalweg auch dazu führt, dass durch ABHD5 das herzschützende Protein HDAC-NT entsteht. Aus ihren früheren Arbeiten wissen die Forscher bereits, wie es das Herz schützt: HDAC4-NT hemmt einen Faktor, MEF2, der Gene im Zuckerstoffwechsel aktiviert, die das Herz schwächen.
Stress und Belastung sind jedoch nicht immer gut für das Herz. Belastet etwa ein chronisch hoher Blutdruck das Herz dauerhaft, wird der positive Signalweg irgendwann abgeschaltet. Stattdessen ist eine Signalkette aktiv, die das Gegenteil bewirkt: HDAC4 und auch andere Moleküle werden so verändert, dass der Faktor MEF2 frei ist und die herzschädlichen Gene im Zuckerstoffwechsel anschalten kann.
Herausforderung für bestehende Konzepte
In explantierten menschlichen Herzen von Patienten mit einer terminalen Herzschwäche beobachteten Backs und sein Team, dass weniger aktives ABHD5 vorlag. Ebenso wiesen Herzmuskelzellen von Mäusen, denen ABHD5 fehlte, typische Anzeichen einer Herzschwäche auf. Außerdem hatten sie übermäßig viel Fett eingelagert. Wenn die Forscher diesen Zellen das Produkt von ABHD5, also HDAC4-NT, zusetzten, konnten sie die Herzfunktion bewahren. Die Menge der eingelagerten Fette veränderte sich jedoch nicht. „Diese Ergebnisse fordern das gängige Konzept der Lipotoxizität heraus“, sagt Backs. Laut diesem Konzept, führt die übermäßige Fetteinlagerung bei Erkrankungen wie Diabetes oder Adipositas zu einer schlechten Herzfunktion. In den Mäusen ohne ABHD5 verbesserte sich die Herzfunktion jedoch unabhängig von der Fetteinlagerung, wenn die Forscher die HDAC4-NT-Werte normalisierten.
Die Suche geht weiter
Ob sich die in Zellen und Mäusen erhobenen Ergebnisse im vollen Umfang auf den Menschen übertragen lassen, müssen die Heidelberger Forscher noch überprüfen. Sie suchen daher nun nach einer Substanz, mit der sie ABHD5 und damit seine herzschützende Funktion gezielt aktivieren können. Eine solche Substanz müssten die Wissenschaftler dann erst in Tieren testen, bevor sie sie in klinischen Studien anwenden könnten. Aber auch andere Behandlungsansätze könnten sich aus ihren Ergebnissen ergeben, so Backs. Etwa bezüglich des Lebensstils, eventuell wirke Sport mit eher kurz anhaltenden Belastungen sich günstiger auf das Herz aus als ein Marathon. Da ABHD5 durch den Fettstoffwechsel gesteuert wird, sei es außerdem denkbar, dass die ernährungsbedingte Zusammensetzung der Fetttöpfchen in den Herzmuskelzellen den Schutz aktiviere.
Originalarbeit: The lipid droplet-associated protein ABHD5 protects the heart through proteolysis of HDAC4.Jebessa ZH, Shanmukha Kumar D, Dewenter M, Lehmann LH, Xu C, Schreiter F, Siede D, Gong XM, Worst BC, Federico G, Sauer SW, Fischer T, Wechselberger L, Müller OJ, Sossalla S, Dieterich C, Most P, Gröne HJ, Moro C, Oberer M, Haemmerle G, Katus HA, Tyedmers J, Backs J.
Nat Metab. 2019 Nov;1(11):1157-1167. DOI: 10.1038/s42255-019-0138-4
Kontakt: Christine Vollgraf, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), Tel.: 030 3465 529 02, presse(at)dzhk.de