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Alkohol trinken, um gesund zu bleiben? Studie widerlegt jahrzehntelange Annahme


Verlängert nicht das Leben: ab und zu ein Gläschen Wein. | © Laura Schirrmeister, Uni Greifswald


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Die Studienlage war paradox: Menschen, die gar keinen Alkohol trinken, hätten eine kürzere Lebenserwartung, als Menschen, die hin und wieder ein Glas Wein oder ein Bier trinken, so der Befund. Eine Greifswalder Studie sorgt nun für Klarheit: Die kürzere Lebenserwartung alkoholabstinent lebender Menschen ist darauf zurückzuführen, dass sie früher Alkohol- oder Drogenprobleme hatten, täglich rauchten oder ihre Gesundheit ohnehin als schlecht einschätzten. Die Studie ist soeben in der renommierten Fachzeitschrift PLOS Medicine erschienen.

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„Bisherige Studien legten nahe, dass Menschen, die geringfügige bis moderate Mengen trinken, länger leben. Dies führte lange zur Schlussfolgerung, mäßiger Alkoholkonsum könne gesundheitsfördernde Effekte haben, insbesondere in Bezug auf das Herz-Kreislauf-System. Dies konnten wir nun klar widerlegen“, sagt DZHK-Wissenschaftler und Leiter der Studie, Professor Ulrich John aus der Abteilung für Präventionsforschung und Sozialmedizin am Institut für Community Medicine der Universitätsmedizin Greifswald.

Tatsächlich ist es bei genauerer Betrachtung so, dass die kürzere Lebenserwartung von Nichttrinkern nichts mit dem Verzicht auf Alkohol zu tun hat. Ganz im Gegenteil: Viele der Studienteilnehmer, die in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung keinen Alkohol getrunken hatten, hatten in früheren Jahren zum Beispiel ein Alkohol- oder Drogenproblem. Ihre kürzere Lebenserwartung ist also auf ein riskantes Verhalten zurückzuführen – nicht auf ihre Alkoholabstinenz.

Früher Alkohol, Rauchen oder Drogen, jetzt Nichttrinker: Drei Viertel der zuletzt alkoholabstinent Lebenden hatten gesundheitliches Risiko

Dem Trugschluss kamen die Forscher um Ulrich John mithilfe von Angaben aus einer Befragung auf die Spur, die sie bereits in den 90er Jahren gemacht hatten: Damals wurden die 4.028 Studienteilnehmer nach ihrem jetzigen und nach ihrem früheren Verhalten gefragt. Rund jeder Zehnte hatte in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung keinen Alkohol getrunken. Von diesen 447 waren fast drei Viertel aber früher einmal Raucher, alkohol- oder drogenabhängig oder sie gaben an, dass ihre Gesundheit mäßig oder schlecht sei. Mehr als 20 Jahre später ermittelten die Forscher wie viele der damaligen Studienteilnehmer gestorben sind und wann - und widerlegten mit dieser Auswertung die paradoxe Studienlage. Nicht der Verzicht auf Alkohol wirkte sich lebensverkürzend aus, sondern die ungesunde Lebensweise in vorherigen Jahren.

Die Forscher machten darüber hinaus eine weitere überraschende Entdeckung: In punkto Sterbewahrscheinlichkeit stehen Menschen, die Alkohol in geringen Mengen trinken, nicht besser da als Menschen, die gar keinen Alkohol trinken – sofern diese in früheren Jahren keine riskanten Verhaltensweisen wie Drogen- oder Alkoholmissbrauch an den Tag gelegt hatten.

Anders gesagt: Ab und zu ein Glas Wein zu trinken, verkürzt das Leben nicht. Anders als lange angenommen verlängert es das Leben aber auch nicht.


Publikation: Alcohol abstinence and mortality in a general population sample of adults in Germany: A cohort study. John U, Rumpf H-J, Hanke M, Meyer C. PLOS Medicine 2021 https://doi.org/10.1371/journal.pmed.1003819

Quelle: Pressemitteilung der Universität Greifswald