Zu Beginn der Corona-Pandemie standen die blutdrucksenkenden Medikamente aus der Gruppe der ACE-Hemmer und der Angiotensin-Rezeptorblocker (ARBs) im Verdacht, das Infektionsrisiko zu erhöhen und den Verlauf von COVID-19 negativ zu beeinflussen. Die Annahme beruhte auf präklinischen Beobachtungen, dass diese Substanzen das Vorhandensein des SARS-CoV-2 Virusrezeptors ACE2 auf der Zellmembran erhöht - die Regulation ist seit langem bekannt.
Im Verlauf konnte dann in mehreren großen Beobachtungsstudien (publiziert im New England Journal of Medicine) diese Annahme widerlegt werden. Es wurde geschlußfolgert, dass die Therapie mit ACE-Hemmer oder ARBs keinen Nachteil für an COVID-19 Erkrankte hat bzw. das Infektionsrisiko nicht erhöht. Bislang wurde jedoch die pharmakologische Wirkung von beiden Substanzen bei COVID-19 Patienten nicht direkt untersucht.
ACE-Hemmer und ARBs beeinflussen durch ihre Wirkweise die Plasmaspiegel von sogenannten Angiotensin-Peptiden. Die Regulation dieser Peptide und deren Bindung an Zielrezeptoren vermittelt dann den therapeutischen Effekt, wie etwa die Blutdrucksenkung. Die Studie von Ulrich Kintscher von der Charité - Universitätsmedizin Berlin, einer Partnereinrichtung des DZHK, ist nun die erste Studie, die anhand von Messungen aus Plasmaproben von COVID-19 Patienten unter Behandlung mit ACE-Hemmern oder ARBs, und Kontrollproben, direkt die pharmakologische Wirkung der Medikamente über die Regulation dieser Angiotensin-Peptide untersucht hat.
Bei insgesamt 58 Patienteninnen und Patienten, davon 31 an COVID-19 erkrankt, wurden diese Analysen mit chromatographischen und massenspektrometrischen Methoden durchgeführt. Es zeigte sich, dass in keinem der untersuchten Parameter signifikante Unterschiede zwischen unbehandelten Kontrollen und COVID-19 Patienten detektierbar waren. Außerdem konnte gezeigt werden, dass ACE-Hemmer eine vergleichbare pharmakologisch-therapeutische Wirkung, insbesondere bezüglich der ACE-Hemmung, in Kontrollen und COVID-19 Patienten vermitteln. In den mit ACE-Hemmer behandelten COVID-19 Patienten war die ACE2-Aktivität im Plasma im Vergleich zu den anderen Gruppen erhöht .
Zusammenfassend zeigt die Studie also: (1) COVID-19 Patienten zeigen keine abnorme Regulation des Renin-Angiotensin-Systems (auf der Ebene der Angiotensin Peptide), (2) der Einsatz von Blutdrucksenkern aus der Klasse der ACE-Hemmer und der ARBs führt hinsichtlich ihrer therapeutischen Wirkung in SARS-CoV-2 negativen und COVID-19 Patienten zu vergleichbaren pharmakologischen Effekten, ermittelt durch Plasma-Angiotensin Peptidspiegel, und (3) ACE-Hemmer führen bei COVID-19 zu einer Erhöhung von Plasma ACE2, wobei die Bedeutung dieser Regulation, im Gegensatz zur Regulation des Membran ACE2, noch unklar ist.
Originalarbeit:
Plasma Angiotensin Peptide Profiling and ACE2-Activity in COVID-19 Patients treated with Pharmacological Blockers of the Renin Angiotensin System, Kintscher et. al. Hypertension, 27 Aug 2020 https://doi.org/10.1161/HYPERTENSIONAHA.120.15841